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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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sah hinüber zu Joentaa, der verblüffend ruhig schien. Er starrte durch die Windschutzscheibe auf die Straße und legte nach einigen Sekunden den Rückwärtsgang ein, um zu wenden.
    »Entschuldigung«, sagte er, ohne Daniel anzusehen.
    Daniel sah, dass Joentaas rechte Hand zitterte, als er den ersten Gang einlegte und anfuhr.
    »Was soll das!«, schrie Daniel. »Was sind Sie eigentlich für ein Spinner?!«
    »Entschuldigung, wir müssen das anders machen«, sagte Joentaa.
    »Bitte?«
    »Wir fahren anders.«
    Daniel realisierte, dass Joentaa jetzt schneller fuhr.
    »Wieso? Ich denke …«
    Aber Joentaa sagte nichts mehr. Nach einigen Minuten hielt er an. Er sprang aus dem Wagen und hämmerte gegen die Tür eines Cafés. Daniel stieg auch aus und sah eine Frau, die schlaftrunken, im Bademantel, die Tür öffnete. Joentaa schob sich an ihr vorbei in den Innenraum des Cafés. Daniel nickte der irritierten Frau zu und folgte ihm. Joentaa rannte schon die Treppe hinauf in den ersten Stock.
    Die Frau rief hinter ihnen, Daniel verstand nicht, was.
    Als Daniel am Treppenabsatz ankam, prallte er fast auf Joentaa, der reglos vor der Wohnungstür stand.
    Die Frau rief unverständliche Worte.
    Joentaa ging langsam auf die Tür zu, die offen stand. Das Polizeisiegel war eingerissen.
    An der Tür blieb Joentaa wieder stehen.
    »Mitä, mitä«, schrie die Frau oder irgendetwas Ähnliches. Die Frau stand jetzt hinter Daniel am Treppengeländer.
    Joentaa schwieg.
    Daniel wollte auf ihn zugehen, aber er hielt inne, als Joentaa den Kopf wendete und ihn ansah.
    Joentaa weinte.

8
    Es war nur ein Bild.
    Joentaa wusste das.
    Das Bild, das er sah, war nicht echt, aber es überwältigte ihn, er wusste nicht, warum, er spürte, dass er es begreifen musste.
    Das Bild stimmte, und es war gleichzeitig vollkommen falsch.
    Joentaa spürte einen brennenden Schmerz hinter den Augen. Er sah einen Mann und eine Frau, und die Frau war Sanna. Sanna saß im Zentrum des Raumes, ihr Gesicht sah er nicht, nur die Konturen ihres Körpers. Der Mann stand über ihr, Joentaa wusste, dass der Mann ein Mörder war.
    Er wusste, dass die Frau Sanna war, ohne sie erkennen zu können.
    Er wusste, dass Sanna nicht hierhergehörte, er hätte eine andere Frau sehen sollen, und während er sich das klarmachte, zerbrach das Bild, und der Schmerz hinter seinen Augen ließ nach.
    Der Raum war leer. Ansonsten stimmte alles. Die Kerzen brannten, die Weinflasche stand genau da, wo sie gestanden hatte, daneben die beiden Gläser, eines zur Hälfte gefüllt. Aber der Raum war leer. Die beiden Menschen fehlten, die der Szene ihr Leben gegeben hatten.
    Jaana Ilander und der Mann, der sie getötet hatte.
    Joentaa stellte sich den Mann vor, der dieses Bild geschaffen hatte. Der Mann hatte sich Mühe gegeben. Er hatte sich viel Zeit genommen, um alles wiederherzustellen, alles sollte genauso sein, wie es an dem Abend gewesen war, so authentisch wie möglich. Die Kerzen waren weiß, die gleichen Kerzen. Joentaa war sicher, dass es die gleichen Kerzen waren, die gleichen Gläser, dieselbe Weinsorte.
    Sie würden das prüfen müssen, aber er war sich sicher.
    Alles sah gleich aus, und alles war anders.
    Die Originalflasche, die Gläser, die Kerzen hatte die Spurensicherung sichergestellt. Die Fotos fehlten. Natürlich. Auch die Fotos, die auf dem Boden gelegen hatten, hatte die Spurensicherung sichergestellt.
    Joentaa dachte, dass das dem Mann Probleme bereitet haben musste. Das Fehlen der Fotos. Der Mann hatte einen Kompromiss eingehen müssen, und er mochte keine Kompromisse.
    Joentaa trat in den Raum.
    Er versuchte, irgendetwas zu greifen, irgendeinen Eindruck des Mannes, den er suchte, des Mannes, der vor Kurzem hier gewesen war.
    Vielleicht wenige Minuten vor ihrer Ankunft.
    Er dachte, dass sie vermutlich rechtzeitig gekommen wären, wenn er schneller gedacht hätte.
    Er trat näher und sah, dass auf dem Boden doch ein Foto lag.
    Jaana Ilander mit Fallschirm.
    Es musste dem Mann schwergefallen sein, sich von diesem Foto zu trennen. Und von dem blassen Bild, von der Landschaft, die wieder an ihrem Platz in dem blauen Haus hing. Warum hatte sich der Mann von diesen Dingen getrennt, von Dingen, die ihm so wichtig gewesen waren? Warum war er ein hohes Risiko eingegangen, um sie zurückzubringen?
    Er hörte Daniels Stimme. Entsetzt und verwirrt.
    »Was soll das hier?«, fragte Daniel.
    Joentaa wandte sich um. »Das ist die Wohnung von Jaana Ilander. So hat es ausgesehen an dem Abend

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