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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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Er hatte diesen Blick nach draußen als außerordentlich beruhigend empfunden, ja, er hatte gespürt, wie sein Zorn auf Jaana Ilander, auf den Polizisten, vor allem auf sich selbst, langsam abgeebbt und im Nichts versickert war.
    Er hatte das Zeitgefühl verloren und sich auf eine merkwürdig unangenehme Weise frei gefühlt, schwerelos, belanglos, träge. Er hatte sich einen Scherz daraus gemacht, von Zeit zu Zeit seine Mailbox abzuhören.
    Mit Genugtuung hatte er registriert, wie sich die Nachrichten stauten: viermal Marion, verärgert, aber besorgt, dreimal Oliver, nur verärgert. Tina hatte offensichtlich Besseres zu tun gehabt, als hinter ihm herzutelefonieren.
    Er hatte auf dem Sofa gesessen, den zugefrorenen See, die weißen Bäume betrachtet. Er hatte ab und zu das Handy abgehört und sich über Marion und Oliver amüsiert.
    Er hatte das weiße Grau hinter dem Fenster in sich aufgesogen, bis es so hell hinter seinen Augen brannte, dass er sie schließen musste.
    Er erwachte, als er den ratternden Motor des Kleinwagens hörte. Er setzte sich aufrecht und versuchte, den Schlaf abzuschütteln. Als er spürte, dass es nicht schnell genug ging, sprang er auf, er wusste nicht, warum, aus irgendeinem Grund wollte er nicht, dass der Polizist ihn schlafend antraf. Er ging zum Fernseher, nahm die Fernbedienung und schaltete ein.
    Er hörte den Schlüssel im Schloss und fragte sich, woher seine Nervosität kam. Warum sollte er Angst vor diesem Mann haben, der ihn so freundlich empfangen hatte?
    »Hallo«, sagte der Polizist.
    Daniel drehte sich in seine Richtung. »Hallo.«
    Die Angst war schon vergangen, er begriff nicht, woher sie gekommen war. Auf dem Bildschirm lief Eishockey, ein Zusammenschnitt, ständig fielen Tore. Daniel schaltete um, ein Zeichentrickfilm, dann ein Schwarz-Weiß-Film, die Wettervorhersage, dann schon wieder Eishockey.
    »Habe ich die falschen Knöpfe erwischt, oder sind es wirklich nur vier Programme?«, fragte er.
    Der Polizist nickte. »Vier Programme.«
    »Gefällt mir«, sagte Daniel. »Ich verstehe kein Wort, und bei uns kriegt man rund vierzig Kanäle, aber es gefällt mir … man fühlt sich nicht so zugemüllt.«
    Der Polizist sah ihn fragend an. »Zuge …?«
    »Zugemüllt … hier läuft mit Sicherheit nicht so viel Schwachsinn wie im deutschen Fernsehen. Natürlich dürfte ich so eigentlich nicht reden, meine Werbeagentur lebt nicht zuletzt von Fernsehwerbung.«
    »Man könnte auch in Finnland wesentlich mehr Kanäle empfangen, mit Satellitenschüssel, aber ich schaue wenig fern …«
    Daniel hob den Blick, weil der Polizist innehielt. Er starrte auf den Bildschirm und schien völlig vertieft in einen Gedanken, den Daniel nicht kannte.
    Auf dem Bildschirm sagte ein alter Mann das Wetter voraus.
    »Was ist?«, fragte Daniel.
    »Nichts … das ist der bekannteste finnische Wetteransager. Kürzlich war ein großer Artikel in der Zeitung, weil er sein dreißigjähriges … wie sagt man?«
    »Jubiläum, Dienstjahr?«
    »… Ja, das meine ich … er sagt für die kommenden Tage viel Schnee voraus.«
    Daniel nickte.
    »Finden Sie ihn … lustig?«, fragte der Polizist.
    »Wen?«, fragte Daniel.
    »Den Ansager.«
    Daniel sah auf den Bildschirm. »Wieso?«
    Der Polizist schwieg und schien wieder nachzudenken. »Möchten Sie etwas essen?«, fragte er nach einer langen Pause.
    »Gern. Der Auflauf war übrigens sehr gut«, sagte Daniel.
    Der Polizist nickte und ging Richtung Küche. Daniel folgte ihm. Während er hinter dem Mann herlief, spürte er, wie die Wut zurückkehrte. Wieso sprach dieser Mann dauernd in Rätseln? Was wollte er mit diesem Wetteransager? Was verschwieg er ihm? Daniel war sicher, dass er irgendetwas Wichtiges verschwieg.
    »Ich denke, Sie schulden mir einige Erklärungen«, sagte er, als er neben dem Mann in der Küche stand und zusah, wie er den Tisch deckte.
    Der Polizist sah ihn fragend an.
    »Wieso haben Sie mich hier einquartiert? Wieso haben Sie mich angerufen und nicht ein Notar, irgendjemand, der mit dem Testament betraut ist? Ich habe den Eindruck, dass Sie ein besonderes Interesse an mir haben, und ich verstehe absolut nicht, warum.«
    Der Polizist hatte, während Daniel gesprochen hatte, weiter den Tisch gedeckt. »Setzen Sie sich«, sagte er. »Mögen Sie Milch oder Wasser?«
    »Milch«, sagte Daniel.
    Normalerweise trank er zum Abendessen Wein, aber warum nicht mal Milch? Er musste lachen, als der Polizist ihm die Milch eingoss. Wenn Oliver ihn jetzt hätte

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