Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Hause gehen, lass mich mit dieser Scheiße zufrieden, lass mich einfach mal kurz durchatmen!!« Ketolas Gesicht wirkte im Kerzenlicht gespenstisch verzerrt.
Joentaa spürte, wie sich sein Körper verkrampfte, er wollte irgendetwas sagen, um die Situation zu beruhigen, aber er wusste gleichzeitig, dass er schweigen würde. Niemi stand neben Ketola, er schien dessen Ausbruch gar nicht mitbekommen zu haben, wirkte entspannt, ungerührt.
Joentaa begriff weder Ketola noch Niemi.
Er erinnerte sich an die Beerdigung. Die beiden hatten schweigend nebeneinandergestanden, Ketola hatte einen schwarzen Regenschirm gehabt, Niemi einen bunten, ja, er erinnerte sich jetzt daran, während der Beerdigung hatte er diese Details nur halb bewusst wahrgenommen.
Er überlegte, ob Ketola bewusst einen schwarzen Regenschirm gewählt hatte, Niemi bewusst einen bunten. Er würde vermutlich weder Ketola noch Niemi jemals danach fragen.
Ketola hatte sich schon wieder beruhigt, zumindest schien es so. Er hatte die Kerzen gelöscht und stand über das Foto gebeugt. »Dann legt mal los«, sagte er zu Niemi und seinen beiden Kollegen, die noch unschlüssig auf dem Korridor standen. Ketolas Stimme klang beherrscht und bestimmt, als habe er selbst gar nicht realisiert, dass er noch vor wenigen Sekunden unkontrolliert geschrien hatte.
Niemi kniete schon auf dem Boden und betrachtete aus nächster Nähe das Foto.
»Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, hierherzufahren?«, fragte Ketola.
Joentaa spürte wieder den stechenden Blick und wich instinktiv aus. »Ich weiß nicht. Ich dachte, dass er vielleicht auch andere Dinge zurückbringt … was ist mit der Jugendherberge? Vielleicht hat er auch dort etwas mitgenommen …«
»Ich habe Heinonen hingeschickt … die Ortseingänge von Naantali sind abgesperrt, falls er mit dem Wagen unterwegs ist … Sie möchte ich bitten, zu Arto Ojaranta zu fahren, sprechen Sie mit ihm, ich glaube, Sie kommen besser mit dem zurecht als ich. Jedenfalls musste ich ihm jedes Wort aus der Nase ziehen und habe trotzdem nicht kapiert, was er mir sagen wollte …«
»Ich fahre gleich los«, sagte Joentaa. Er wollte schon gehen, aber Ketola starrte ihn konzentriert an, als habe er eine bestimmte Frage auf den Lippen. Joentaa wartete.
»Was bedeutet das hier, Ihrer Meinung nach?«, fragte Ketola schließlich. »Sie haben geahnt, dass er Dinge zurückbringt, die er entwendet hat. Jetzt sagen Sie mir doch bitte: Warum?«
Joentaa schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Sie müssen doch eine Meinung dazu haben, wenn Sie uns schon mit hellseherischen Fähigkeiten überraschen!«
Joentaa schüttelte nur den Kopf. Er musste darüber nachdenken. Er wandte sich von Ketola ab und sah Daniel, der im Türrahmen stand.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie?«, raunzte Ketola, als er Daniel sah.
Daniel verstand nicht, was Ketola sagte.
»Das ist Daniel Krohn …«, begann Joentaa.
»Was will der hier?«
»Ich … ich habe ihn mitgenommen …«
»Was soll das? Sagen Sie ihm, er soll unten warten.«
Joentaa nickte. Er wollte Daniel übersetzen, was Ketola gesagt hatte, aber Daniel löste sich von der Tür und ging nach rechts in Richtung des Schlafzimmers.
»Was macht der?«, fragte Ketola.
Joentaa folgte Daniel, er griff nach seiner Schulter, aber Daniel schüttelte ihn ab und öffnete alle Türen, zur Küche, zum Bad, zum Schlafzimmer.
Auf der Schwelle zum Schlafzimmer hielt er inne.
»Ich wollte nur wissen, ob es stimmt«, sagte Daniel.
»Was?«
»Was Sie gesagt haben. Dass auf dem Nachttisch ein Foto von mir steht.«
Joentaa folgte Daniels Blick. Auf dem Nachttisch stand das gerahmte Foto. Daniel grinste in die Kamera, er schien mit einer Hand nach der Kamera zu greifen, als wolle er verhindern, dass der Fotograf, vermutlich Jaana Ilander, auf den Auslöser drückt.
»Der soll jetzt abhauen, verdammt!«, schrie Ketola.
Joentaa wollte Daniel ansprechen, aber bevor er dazu kam, wandte sich Daniel ab und verließ mit langen, zielstrebigen Schritten die Wohnung.
»Wie kommen Sie dazu, diesen Mann hier anzuschleppen?«, fragte Ketola.
»Er wollte mitkommen.«
»Was heißt das, er wollte mitkommen? Wieso wusste er überhaupt von der Sache?«
»Er wohnt bei mir.«
»Bitte?«
»Ich habe ihm angeboten, bei mir zu wohnen«, sagte Joentaa.
Ketola wollte etwas entgegnen, aber Joentaa war schneller.
»Ich glaube, ich weiß jetzt, was passiert ist«, sagte er.
Ketola sah ihn fragend an.
»Ich weiß, warum
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