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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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der Täter die Sachen zurückbringt.«
    Er wusste es tatsächlich.
    Er hatte nicht darüber nachgedacht.
    Er hatte es begriffen, als er hinter Daniel Krohn gestanden und das Foto gesehen hatte: Daniel, ein jüngerer Daniel, der grinsend nach Jaanas Kamera griff. Eine Szene aus der Vergangenheit, unwiederbringlich, aber auf dem Foto gegenwärtig.
    Joentaa wusste, warum er geweint hatte. Er hatte geweint, weil er genau dasselbe wollte wie der Mann, der Jaana Ilander ermordet hatte.
    Er wollte die Vergangenheit gegen die Gegenwart tauschen.
    »Ich glaube, dass er es bereut«, sagte Joentaa.
    Ketola fixierte ihn aufmerksam.
    »Ich glaube, dass er alles rückgängig machen möchte«, sagte Joentaa.
    »Das ist Unsinn«, sagte Ketola, aber Joentaa hörte ihn nur ganz leise.
    »Er möchte eine zweite Chance«, sagte er mehr zu sich als zu Ketola. »Er stellt sich vor, in eine Welt zurückzukehren, in der alles, was er getan hat, nie passiert ist.«

9
    Joentaa bat Daniel Krohn, im Wagen zu warten. Daniel erhob keine Einwände. Er sagte gar nichts.
    Joentaa stieg aus und ging auf das blaue Haus zu. Die Eingangstür stand offen. Joentaa sah schon von Weitem Niemis Kollegen in ihren weißen Overalls, und er hörte eine Stimme, die er nicht kannte. Eine forsche, gebieterische Stimme. Die Stimme einer Frau. Die Frau kommandierte die Spurensicherer herum, die sich nicht irritieren ließen und zielgerichtet ihrer Arbeit nachgingen. Arto Ojaranta stand gebückt hinter der Frau, er überragte sie um zwei Köpfe, aber er stand gebückt, in sich gekehrt.
    Im Wohnzimmer hämmerte jemand auf die Klaviertasten ein.
    »Wer sind Sie?«, fragte die Frau, als wolle sie Joentaa im Falle einer falschen Antwort gleich wieder hinausbefördern.
    Joentaa wollte antworten, aber Ojaranta kam ihm zuvor.
    »Das ist auch ein Polizist«, sagte er hastig. »Entschuldigung, Joen …?«
    »Joentaa, Kimmo Joentaa.« Er gab der Frau die Hand.
    »Meine Schwester, Raija Ojaranta«, murmelte Ojaranta. »Sie kennen ja die kleine Anna, ihre Tochter … Anna ist auch hier … sie spielt … sag ihr doch bitte, dass sie endlich aufhören soll, Herrgott!« Der letzte Satz galt seiner Schwester.
    »Ich konnte sie um diese Zeit ja wohl schlecht allein zu Hause lassen. Du warst es doch, der mich gebeten hat, noch mal zu kommen«, entgegnete die Frau unwirsch. Dann rief sie: »Anna, lass gut sein!«
    Anna klimperte weiter.
    Joentaa bemerkte, dass die Frau so fest seine Hand gedrückt hatte, dass sie schmerzte. Er erinnerte sich, dass Grönholm Ojarantas Schwester in den Tagen nach dem Mord vernommen hatte. »Ätzend«, hatte er danach beiläufig gesagt. Joentaa war verblüfft gewesen über diese drastische Formulierung, aber er hatte nicht weiter nachgehakt.
    Joentaa erinnerte sich auch, das Protokoll der Vernehmung gelesen zu haben. Er erinnerte sich, dass die Frau sehr kühle Worte gewählt hatte. Ihre Worte hatten ihm den Eindruck vermittelt, dass sie nicht betroffen war. Eher überrascht. Irritiert.
    »Hören Sie, mein Bruder muss langsam mal zur Ruhe kommen«, sagte Raija Ojaranta. »Kann man das Ganze hier nicht morgen fortsetzen?«
    »Ich fürchte, nein«, sagte Joentaa und hätte am liebsten hinzugefügt, dass die kleine Anna wohl bei Weitem mehr Lärm machte als die Spurensicherer. Solange Anna auf dem Klavier klimperte, würde Arto Ojaranta ganz sicher nicht zur Ruhe kommen.
    Joentaa fixierte Ojaranta und glaubte zu bemerken, dass er zitterte, dass er sich mühsam zwang, ruhig zu bleiben.
    »Ich möchte kurz mit Ihnen sprechen«, sagte Joentaa. »Wird das gehen?«
    Ojaranta nickte resignativ. »Natürlich.« Er ging voran ins Wohnzimmer, ließ sich auf das Sofa fallen und bat Joentaa mit einer trägen Handbewegung, sich ebenfalls zu setzen. Joentaa zögerte, weil Annas schreckliches Klavierspiel jetzt noch viel deutlicher zu hören war.
    Anna grinste ihn an, als er zu ihr hinübersah.
    »Vielleicht sollten wir doch woanders …«, begann Joentaa, aber Annas Mutter unterbrach ihn.
    »Anna, lass bitte gut sein!«, rief sie.
    Anna hielt inne und lächelte mit großen Augen ihre Mutter an. Joentaa fragte sich, ob Anna gar nicht auffiel, dass hier etwas Ungewöhnliches vorging. Sie schien die Spurensicherer, die Aufregung in diesem Haus gar nicht wahrzunehmen.
    »Herr Ojaranta …«, begann Joentaa.
    Anna klimperte wieder.
    »Herr Ojaranta, wir müssen genau wissen, wie der heutige Tag verlaufen ist, es ist sehr wichtig, den Zeitraum einzugrenzen, in dem

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