Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
dastehen oder selbst texten müssen, was nicht gerade seine Stärke war.
Er stieß sich von der Bettkante ab und zog seinen Koffer unter dem Bett hervor. Er war bei seiner Abreise zumindest noch ausreichend bei Sinnen gewesen, den Laptop mitzunehmen. Er setzte sich auf das Bett und schaltete das Gerät ein. Er starrte auf den Bildschirm, minutenlang, ohne ein einziges Wort zu schreiben.
Er musste Joentaa nach diesem Neffen fragen, Teemu.
Er starrte auf die leere weiße Seite auf dem Bildschirm und fragte sich, ob er gerade dabei war, seinen Job zu verlieren. Oliver konnte recht impulsiv sein, und sie waren zuletzt häufiger aneinandergeraten.
Oliver würde sicherlich kein Wort verstehen, wenn er ihm von der Wohnung im Kerzenlicht erzählte.
Er sah aus dem Fenster. Draußen schien es schon langsam heller zu werden, kaum merklich, aber er hatte den Eindruck. Es war bald sieben Uhr, er hatte keine Sekunde geschlafen. Er konnte jetzt nicht arbeiten. Eigentlich ging ihm seine Arbeit schon seit Längerem ziemlich auf die Nerven. Früher, am Anfang, hatte es mehr Spaß gemacht. Vor allem die Wahlwerbung. Das Lob der Politiker war immer runtergegangen wie Öl, und je weniger er die von seiner Agentur beworbenen Kandidaten gemocht hatte, desto größer war sein Stolz gewesen, wenn die Slogans zu guten Ergebnissen beitrugen.
Was hatte eigentlich Jaana beruflich gemacht? Hatte sie nicht in einem der Briefe geschrieben, dass sie Schauspielerin werden wollte? Er musste Joentaa danach fragen.
Er spürte, dass er müde war. Natürlich. Aber er würde nicht schlafen können. Es würde immer wieder ein Gedanke auftauchen, der ihn wach hielt.
Er erwog die Möglichkeit, einfach die Morgenmaschine nach Deutschland zu nehmen. Es war schließlich gar nicht sicher, ob dieses Testament wirksam war, und die Sache würde sich in jedem Fall hinziehen.
Die Wohnung … hatte er jetzt ja auch schon gesehen.
Für einen Moment stellte er sich vor, in dieser Wohnung zu leben.
Dann dachte er wieder an den Politiker, der mit Nachnamen Glanz hieß. Eigentlich ein Name, der wie geschaffen war für griffige Slogans. Er würde gleich am Morgen Oliver anrufen und ihm sagen, dass alles in Ordnung sei. Er würde ihm den Text per Mail zukommen lassen, spätestens am Nachmittag, das müsste sich doch machen lassen.
Als er das Foto gesehen hatte, auf dem Nachttisch, da war etwas passiert. Er wusste nicht genau, was. Vielleicht würde er doch Marion davon erzählen, Marion verstand manchmal viel mehr, als er glaubte.
Er löste seinen Blick von der leeren Seite auf dem Bildschirm und stand auf. Er hatte Durst. Er öffnete behutsam die Tür, um Joentaa nicht zu wecken. Während er Richtung Küche ging, spähte er hinüber zu dem Sofa. Joentaa war nicht da.
Joentaa saß in der Küche am Esstisch und trank ein Glas Milch. Er lächelte Daniel müde an.
»Sie können auch nicht schlafen?«, sagte er.
Daniel nickte. Er nahm ein Glas, goss sich Milch ein und setzte sich Joentaa gegenüber. Sie schwiegen.
Daniel fühlte sich plötzlich besser.
Er sah durch das Küchenfenster auf die Schneelandschaft und dachte, dass in seinem Leben nur eine Pause eingetreten war. Wenn all das vorbei war, würde er einfach wieder da anfangen, wo er aufgehört hatte. Er musste keine Angst haben vor Oliver, und er musste jetzt nicht alles verstehen, was hier passierte. Er musste diesen Polizisten nicht verstehen, er musste Jaana Ilander nicht verstehen, er musste den Mann nicht verstehen, der Jaana Ilander getötet hatte. Sie alle waren nur in dieser Pause von Bedeutung, später würde es sein, als hätten sie nie existiert.
Es war ein befreiender Gedanke.
Daniel spürte die Müdigkeit, er dachte, dass er ins Bett gehen sollte, aber er war so erschöpft, zu erschöpft, um zu gehen. »Jaana … hat einen Neffen … sie hat mir von ihm erzählt, er heißt Teemu«, hörte er sich sagen. »Wissen Sie etwas über ihn?«
Joentaa schüttelte den Kopf.
Daniel nickte und sank mit dem vagen Gefühl von Erleichterung in den Schlaf.
12
Der dichte Schneefall war grellem Sonnenlicht gewichen, der Himmel war klar und blau.
Joentaa stand einige Sekunden auf der Schwelle und atmete die beißend kalte Luft. Dann trat er ins Freie und schloss behutsam die Tür, um Daniel nicht zu wecken. Daniel saß seit bald drei Stunden zusammengekrümmt auf dem Stuhl in der Küche und schlief, unruhig, aber fest.
Auch Joentaa spürte die Müdigkeit. Er spürte sie seit Wochen, eigentlich seit
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