Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
und des schlechten Wetters viele Menschen gewesen, es war Wochenende, die Menschen feierten und tranken. Er hatte überlegt, einfach auszusteigen und mitzufeiern, aber er war weitergefahren.
Er konnte nicht mit diesen Menschen feiern.
Was er zu feiern hatte, war etwas ganz anderes, etwas viel Größeres.
Er war nach Hause gefahren.
Jetzt sah er von seinem Balkon hinunter auf den Spielplatz, der ganz von Schnee bedeckt war, und es schneite weiter.
Er stellte sich vor, dass es immer weiterschneien würde, dass irgendwann alles unter dem Schnee begraben liegen würde. Der Gedanke machte ihm keine Angst. Er nahm den Schnee, er spürte ihn kalt an seinen Händen, er betrachtete die kleinen Kristalle, die er, ganz einfach, zerdrücken konnte, und genauso würde er zerdrückt werden, wenn die Zeit reif war.
Er hatte keine Angst davor.
Er dachte an Jaana.
Jaana war da gewesen, und sie würde von jetzt an immer für ihn da sein, wenn er sie brauchte.
11
Daniel Krohn schlief nicht.
Er saß auf der Bettkante und versuchte, die wirbelnden Gedanken zu ordnen.
Er dachte an den Fußmarsch, der dieser surrealen Nacht in seinen Augen erst die Krone aufgesetzt hatte. Den letzten Kilometer zum Waldhaus des finnischen Polizisten hatten sie zu Fuß zurücklegen müssen, weil der Weg vollkommen zugeschneit gewesen war. Daniel war in seinen Straßenschuhen hinter dem Polizisten durch den Schnee gestapft, hatte gefroren und das Gefühl gehabt, nie anzukommen.
Er dachte an den Polizisten, Kimmo Joentaa, der jetzt auf dem Sofabett im Wohnzimmer lag. Er bezweifelte, dass er schlief. Joentaa, der Fürsorgliche, hatte ihm nach ihrer Ankunft gleich Tee gekocht, eine warme Wolldecke gegeben und freundlich Gute Nacht gewünscht, als sei alles in bester Ordnung, dabei hatte Joentaa selbst ausgesehen, als würde er jeden Moment vor Erschöpfung zusammenbrechen.
Er dachte an Joentaas Frau, die gestorben war. Er hatte vergessen, Joentaa zu fragen, woran sie gestorben war. Sie musste doch sehr jung gewesen sein, auch Jaana war jung gewesen, jünger als Marion.
Er dachte an Marion, die vermutlich schlief und ganz sicher nicht das Geringste begreifen würde, wenn er sie jetzt anrufen, wenn er ihr alles erzählen würde, alles, was er an diesem verrückten Abend erlebt hatte.
Er dachte an die Wohnung im Kerzenlicht. In dieser Wohnung hatte Jaana gelebt. Er musste Joentaa fragen, seit wann sie dort gelebt hatte, er musste in Erfahrung bringen, was Jaana gemacht hatte, wie ihr Leben verlaufen war, seitdem sie ihm keine Briefe mehr geschrieben hatte.
Er dachte an das Foto im Schlafzimmer, in Jaanas Schlafzimmer, auf Jaanas Nachttisch. Ein Foto von ihm. Als er das Foto gesehen hatte, hatte er sich sofort an die Situation erinnert. Er hatte versucht, Jaana die Kamera aus der Hand zu schlagen, aber Jaana hatte natürlich gerade rechtzeitig auf den Auslöser gedrückt. Er erinnerte sich, dass Jaana ihn ständig genervt hatte mit diesen Fotos, er hatte keine Lust gehabt, ständig fotografiert zu werden.
Dann war ihm noch etwas eingefallen, etwas Unglaubliches, er hatte das wirklich ganz vergessen bis zu dem Moment, als er in Jaanas Wohnung gestanden und sein Foto auf ihrem Nachttisch gesehen hatte.
Er hatte sogar Jaana betrogen.
Jaana, mit der er nur einige Tage zusammen gewesen war, Jaana, die Urlaubsbekanntschaft, hatte er noch während des Urlaubs mit einer anderen Urlaubsbekanntschaft betrogen, einer rothaarigen Deutschen. Jaana hatte betrunken im Zelt gelegen, während er, ebenfalls betrunken, diese Rothaarige geküsst hatte.
Er wusste von der Rothaarigen nur noch, dass sie rote Haare gehabt hatte und dass er am nächsten Morgen mit Erfolg ihrem Blick ausgewichen war.
Er dachte an Jaanas Neffen, Teemu. Jaana hatte ihm ein Bild von ihm gezeigt. Teemu musste inzwischen etwa zehn Jahre alt sein.
Er dachte an die Kerzen und an den Mann, der diese Kerzen angezündet hatte, den Mann, der Jaana getötet hatte. Er musste den Polizisten fragen, was er über diesen Mann wusste. Er musste doch irgendetwas wissen, was war das für ein Mann, und warum hatte er Jaana getötet?
Er dachte wieder an den Polizisten, Kimmo Joentaa, und fragte sich, warum er geweint hatte. Was hatte er in der Wohnung gesehen, außer den brennenden Kerzen?
Er dachte an Oliver, der so wütend sein musste wie lange nicht. Wenn er ihm nicht morgen zumindest einen Teil des Textes für die Wahlbroschüre lieferte, würde Oliver entweder bei der Präsentation sehr schlecht
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