Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
wirkten gefasst …«, sagte Ketola.
»Die Frau hat gezittert«, sagte Joentaa.
»Ja, aber sie waren beide gefasst, sie werden in der Lage sein, es irgendwann hinzunehmen, auch ich werde irgendwann in der Lage sein, das mit meinem Sohn hinzunehmen, man begreift es einfach als Realität, aber bei Ihnen bin ich nicht so sicher … ich bin mir nicht sicher, dass Sie bereit sind, den Tod Ihrer Frau als Realität zu begreifen.«
Joentaa schwieg. Er wusste, dass alles, was Ketola gerade gesagt hatte, stimmte. Er konzentrierte sich auf die Straße, sah in der Ferne schon das blaue Haus, und Ketola sagte: »Übrigens trinken Sie keinen Kaffee.«
13
Joentaa dröhnte der Kopf. Langsam hatte er das Gefühl, überhaupt nichts mehr zu begreifen. Was war mit Ketola los? Ketola, der Schnaps im Büro trank, der vor Journalisten ausrastete, der ihn über Jahre hinweg kaum beachtet hatte, sprach über Sanna und ihn, als hätte er sie beide jahrelang gut gekannt. Ketola hatte in wenigen Sätzen viel von dem begriffen, was Joentaa seit Sannas Tod Rätsel aufgab.
Joentaa parkte neben dem silbernen Jeep, der direkt an der Treppe vor der Eingangstür stand und sich scharf von dem dunklen Blau des Hauses abhob.
»Diese entsetzliche Schnepfe ist wieder da«, sagte Ketola.
Und Anna, dachte Joentaa. Er hörte schon ihr Geklimper, das gedämpft nach draußen drang.
Ojarantas Schwester öffnete die Tür. »Sie wieder«, sagte sie und wandte sich ab, ohne Ketola und ihn hereinzubitten.
Joentaa sah aus den Augenwinkeln heraus, wie sich bedrohlicher Zorn in Ketolas Gesicht sammelte. Er folgte Ketola ins Wohnzimmer. Ojarantas Schwester stand schon hinter ihrem Bruder und massierte seine Schultern. Ojaranta saß in sich zusammengesunken auf dem Sofa und begrüßte sie matt.
Anna hämmerte auf die Tasten ein und lächelte Joentaa an, als sich ihre Blicke trafen. Joentaa fragte sich, wie Anna ein so fröhliches Kind sein konnte mit dieser Mutter. Aber vielleicht war Raija Ojaranta als Mutter wunderbar. Was wusste er schon über diese Frau?
»Ihre Leute haben bisher wenig erreicht«, sagte Raija Ojaranta.
»Das würde ich so nicht sagen«, entgegnete Ketola, der sich Ojaranta gegenübergesetzt hatte. Joentaa glaubte zu spüren, wie Ketola sich zwanghaft bemühte, die Frau zu ignorieren. Er setzte sich aufrecht und fixierte Ojaranta mit seinen stechenden Augen. »Wir müssen den gestrigen Abend genau rekonstruieren, Sie verstehen doch, dass das enorm wichtig ist?«
Ojaranta nickte, schien aber gar nicht zuzuhören und wich Ketolas Blick aus.
»Es geht darum, dass der Täter hier im Haus war. Er hat das Bild und den Schlüssel zurückgebracht. Er hat sich sogar Zeit genommen, das Bild aufzuhängen. Das heißt doch, dass Sie möglicherweise etwas gesehen haben könnten, etwas, das sie sich vielleicht noch gar nicht klargemacht haben. Ein Auto zum Beispiel, das hier in der Gegend fremd ist, vielleicht haben Sie auch Geräusche gehört, die jetzt im Nachhinein einen Sinn ergeben …«
»Bedaure«, murmelte Ojaranta.
Ketola hob den Blick. »Und Sie?«
Ojarantas Schwester schüttelte nur den Kopf.
»Verstehe …«, sagte Ketola.
Anna spielte wieder ihr Lied, dieses quälende Lied, das sie immer spielte, Joentaa kannte es, aber der Titel fiel ihm wieder nicht ein. Wie oft musste Anna noch diese holprige Melodie spielen, bis ihm endlich dieser verdammte Titel einfiel?
»In der Zeitung stand, dass der Täter vermutlich bereits drei Menschen auf dem Gewissen hat. Wie kann das passieren?«, fragte Raija Ojaranta.
Joentaa sah durch das Fenster in die grelle Sonne.
Ketola atmete tief ein. »Ich verstehe die Frage nicht ganz.«
»Ich meine: Wie kann irgendein Irrer einfach drei Morde begehen, ohne bestraft zu werden?«
»Ja, wie …« Ketola zwang sich zu einem Lächeln. Joentaa spürte, dass er kurz vor der Explosion stand, aber er beherrschte sich. »Das ist in der Tat verblüffend, da stimme ich Ihnen vollkommen zu.«
»Wie schön, dass wir einer Meinung sind«, sagte die Frau.
Ketola beherrschte sich. Er wandte sich wieder an Ojaranta: »Wir fragen uns natürlich: Wie ist der Mann ins Haus gekommen?«
»Sie wissen, dass es ein Mann ist?«, sagte Raija Ojaranta, als überraschte sie dieser Ermittlungserfolg.
»Nein, richtig, vielen Dank, ich formuliere die Frage neu: Wie ist die gesuchte Person ins Haus gelangt?«
»Das ist mir doch scheißegal«, maulte Ojaranta.
»Ah«, sagte Ketola.
Warum unternahm niemand etwas gegen Annas
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