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Eismord

Eismord

Titel: Eismord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Neandertaler zog sich den Parka aus und warf ihn auf einen Stuhl, während er den diensthabenden Sergeant über den Vorgang unterrichtete. Er blickte in die Runde. »Chad Pocklington. Jedes Jahr platzt er in die Pelzauktion hinein und schüttet Farbe über die Autos. Alle Jahre wieder. Schwerer Fall von Noone.«
    Dies bezog sich auf ein Graffito, das jahrzehntelang die Herrentoilette der früheren, inzwischen abgerissenen Polizeistation von Algonquin Bay geziert hatte:
Sparky Noone ist voller Scheiße.

[home]
    6
    Z u den Ärgernissen der Ermittlerarbeit in einer Kleinstadt gehört es, dass es nirgendwo in der Nähe ein Institut für Rechtsmedizin gibt. Fast jeder Mordfall erfordert ständige Dienstreisen nach Toronto, die meist am leitenden Ermittler hängenbleiben, zusammen mit einem zweiten Beamten, damit die Beweiskette nicht hinterher in Zweifel gezogen wird.
    Cardinal und Delorme kamen erst nach dem Mittagessen weg. Da es Samstag war, hielt sich der Verkehr in Grenzen, doch in Muskoka gerieten sie in ein Schneetreiben und in der Gegend von Barrie in ein
Whiteout,
das ihnen fast vollständig die Sicht nahm, so dass sie bis zum Forensischen Institut im Zentrum von Toronto über vier Stunden benötigten. Sie brauchten nicht auf eine Autopsie zu warten; es stand immer noch kein Pathologe zur Verfügung, um eine vorzunehmen. Doch es kostete sie über eine Stunde, ihre Beweismittel mit allem bürokratischen Aufwand durch die zentrale Annahmestelle zu schleusen, bevor sie sich auf den Heimweg begaben.
    Am späten Abend saß Cardinal am Küchentisch, aß und blätterte währenddessen beiläufig in der Akte »Scriver«. Einige der Dokumente – Faxe auf Thermopapier aus den Achtzigern – waren inzwischen vollständig verblichen. Er stellte sein Geschirr in den Ausguss und schob die umfangreiche Akte wieder in den Karton. Das musste ohnehin ein bisschen warten.
    Ein Weilchen setzte er sich in sein schlecht belüftetes Wohnzimmer und sah sich die Late Night Shows an, auch wenn er sie weder witzig noch informativ fand. Er schaltete den Fernseher aus und las noch ein bisschen in einem Ratgeber über die Kunst, sich über nichts und niemanden aufzuregen. Delorme hatte ihm das Buch wärmstens ans Herz gelegt, doch Cardinal ging der unerschütterliche Optimismus des Verfassers auf die Nerven, schon deshalb, weil er allzu reichlich von Ausrufungszeichen Gebrauch machte. Was nützte einem der Rat, sich nicht über ungeklärte Fälle oder enthauptete Leichen aufzuregen?
    Missmutig und verschwitzt legte er sich schlafen, wachte aber mitten in der Nacht auf. Auf seinem Wecker war es 3:50 Uhr. Nach Catherines Tod war er monatelang stündlich aufgewacht, doch das hier war etwas anderes. In der Dunkelheit hatte er noch Traumfetzen vor Augen. Er hatte gesehen, wie er neben Arsenault im Büro der KTU stand. Sie hatten den Holzsplitter in der Tüte inspiziert und ihn sich unter die Nase gehalten.
    »Vielleicht irgendein Lösungsmittel«, hatte Arsenault gesagt.
    Dann hatte Cardinal ihm den Beutel abgenommen und selbst daran gerochen. »Ich weiß, was das ist«, sagte er. Und davon wachte er auf.
    Er stand auf, ging ins Badezimmer und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Er spielte mit dem Gedanken, Arsenault anzurufen, um ihm seine Idee mitzuteilen, doch dann zögerte er, ihn zu wecken. Er zog sich an, schlüpfte in seine Kodiak-Stiefel sowie seinen North-Face-Parka und verließ das Haus.
    Es war nicht mehr ganz so frostig, vielleicht zehn Grad unter null, doch da er noch nicht gefrühstückt hatte, fühlte es sich kälter an. Er richtete das Gebläse auf die Windschutzscheibe, fuhr rückwärts von seinem Stellplatz und durch das Klinkertor, das die Grundstücksgrenze seines Wohngebäudes markierte.
    Bis zum Government Dock waren es mit dem Auto nur drei Minuten. Main West, eine Wohngegend mit großen Villen und uralten Bäumen, wirkte verwaist. Nur in einem Haus brannte Licht, in der Einfahrt lief der Motor eines Autos warm und blies eine graue Abgaswolke in die Luft.
    Cardinal bog rechts Richtung Lake Nipissing ein. Er parkte in der Nähe des Kais auf dem Bankett, schaltete den Motor ab und stieg aus. Die dünne Schneeschicht war auf dem Holzsteg entweder schon verweht oder geschmolzen. Cardinal blieb einen Moment stehen und sog die Luft ein. Selbst bei minus zehn Grad roch es stark nach Teeröl.
    Er konnte nicht sicher sagen, was er hier zu finden glaubte. Sogar im Winter besaß der Steg eine große Anziehungskraft für Jogger,

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