Eisnacht
fürchtete sich sogar davor zu hoffen, dass er diesmal, wo die Einsätze höher waren als je zuvor, den entscheidenden Durchbruch landen könnte.
»Kein Bulle, der auch nur einen Funken Verstand hat, würde jemanden ohne handfeste Beweise verhaften«, wandte er ein. »Und ich habe keinen einzigen Beweis gegen Tierney. Nur Mutmaßungen und Gerüchte.«
»Das FBI…«
»Lässt nichts raus. Begley hat mir angedroht, mich in meinen eigenen Knast zu sperren, wenn ich auch nur einen Fuß in Tierneys Hütte beim alten Elmer setze.«
»Das kann er gar nicht.«
»Egal, ob er es kann oder nicht. Im Moment weiß ich nicht , was sie gegen Tierney in der Hand haben, also kann ich ihn schlecht verhaften und ihm auch nur ein kleines Vergehen anhängen.«
»Glaubst du wirklich, Begley würde dieses Zimmer so hüten, wenn kein belastendes Beweismaterial darin wäre? Schnapp dir den Kerl und besorg die Beweise hinterher.«
»Wir haben verfassungsmäßige Rechte, die genau das verbieten, Wes.«
»Ich weiß, aber gibt es nicht einen Paragraphen, dass man jemanden vorübergehend festnehmen darf wegen…« Er schwenkte die Hände, als würde er nach dem entsprechenden Begriff haschen.
»Eines dringenden Tatverdachtes.«
»Genau das! Sagen wir, die Alarmanlage der Bank wird ausgelöst, und du siehst einen Kerl mit einer Maske herausrennen. Den lässt du doch nicht laufen, nur weil du keinen Sack mit Geld siehst. Du wartest nicht ab, bis du Beweise gesammelt hast.«
Dutch stand aus seinem Stuhl auf und ging langsam um seinen Schreibtisch herum. Der Whiskey hatte geholfen, das dumpfe Pochen in seinem Gesicht zu lindern, trotzdem konnte er ein paar Schmerztabletten brauchen.
»Ich gebe dir in allem Recht, Wes, aber es geht trotzdem nicht. Begley hat den Hubschrauber für morgen früh angefordert. Wenn es aufklart und der Wind abflaut, und wenn der Pilot es bis nach Cleary schafft, dann spricht nichts dagegen, dass er damit auch bis auf den Gipfel kommt. Gleichzeitig würden wir Tage brauchen, bis wir die Ausrüstung und Menschen zusammen haben, um den ganzen Mist von der Straße zu räumen.«
»Den Mist auf der Hauptstraße.« Wes grinste, als hätte er eben das entscheidende Ass aus dem Ärmel gezaubert. »Aber was ist mit der anderen Seite?«
»Die Straße auf der Westseite? Die ist doch nur ein besserer Viehsteig.«
»Ein Viehsteig unter knietiefem Schnee, der alles einebnet und die Straße besser befahrbar macht.«
»Wenn du ein Pinguin bist.«
»Oder auf einem Schneemobil sitzt.« Das entkräftete Dutchs nächstes Argument. Er verstummte und dachte nach. »Kommt ein Schneemobil einen so steilen Hang hinauf?«
»Einen Versuch wäre es wert. Außerdem hat die Straße so viele Serpentinen, dass sich die Steigung in Grenzen hält.«
Damit hatte er Recht. Dutch entsann sich, dass er einmal während seiner Highschoolzeit mit einem Mädchen an einen beliebten Aussichtspunkt oben auf dem Berg gefahren war. Bis sie den romantischen Ausblick auf dem Gipfel erreicht hatten, war ihr so übel, dass sie knallgrün war, weshalb er es bei ihr nicht einmal bis zur ersten Stufe geschafft hatte. »Okay, aber wer hat ein Schneemobil?«
»Cal Hawkins.«
Dutch lachte so ungestüm, dass sein Gesicht noch mehr schmerzte. »Na super. Mein übliches Pech. Er ist so ungefähr der Letzte, der mir sein Schneemobil überlassen würde.«
»Er hat dabei nichts mitzureden. Sein alter Herr kaufte die Dinger vor ein paar Jahren, um sie an Winterurlauber zu vermieten. Die Bank zog sie wieder ein, nachdem Cal sie als Sicherheit für ein Darlehen angegeben hatte, das er nie zurückgezahlt hat.«
»Auch super.«
Wes grinste immer noch. »Das Beste kommt erst noch. Die Bank hat sie eingelagert. Und weißt du wo? In der Schulbusgarage.«
Dutch begann das Licht am Ende des Tunnels zu sehen. »Zu der du einen Schlüssel hast.«
»Genau«, sang Wes. Er prostete Dutch mit der Whiskeyflasche zu und nahm noch einen Schluck. »Außerdem habe ich einen Schlüssel zu dem Büro, in dem die Schlüssel für alle Fahrzeuge des Schuldistrikts von Cleary aufbewahrt werden.«
»Wieso fällt dir das erst jetzt ein?«
»Sei nicht so streng mit mir, okay?«, erwiderte Wes rülpsend und fast beleidigt. »Ich hatte in letzter Zeit viel um die Ohren.«
»Warum hat Cal nicht vorgeschlagen, dass wir die Schneemobile nehmen?«
»Weil er nur noch Hackfleisch im Kopf hat. Außerdem sind sie für ihn seit über einem Jahr aus den Augen, aus dem Sinn. Wahrscheinlich hat er sie
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