Eisnacht
Wind, der stark genug war, um die Baumwipfel zu beugen und die Äste krachen zu lassen.
Trotz des Windes sah der Tag aus, als könnte er ihnen die Rettung bringen.
Dennoch mussten sie sich so vorbereiten, als könnte heute kein Hilfstrupp zu ihnen vorstoßen. Die Scheite in dem Feuerholzstapel auf der Veranda waren zu dick. Wenn sie nicht gespalten wurden, würden sie kaum Feuer fangen. Tierney hatte es geschafft, die Kleineren mit dem Beil zu zerhacken, aber bei dem Holz, das jetzt noch dalag, würde ein kleines Beil nichts ausrichten.
Sie sah über die Lichtung in die Richtung, in der der Schuppen lag. Seit Tierney am gestrigen Spätnachmittag zurückgekommen war, hatte der Schneefall nachgelassen, und der Pfad, den er frei gemacht hatte, war immer noch deutlich zu erkennen.
Sie hatte inhaliert. Sie würde nur ein paar Minuten brauchen, um zum Schuppen und zurück zu kommen. Obwohl er beteuert hatte, dass die Axt nicht in der Werkzeugkiste lag, wusste sie genau, dass sie dort sein musste. Er hatte sie nur nicht gesehen.
Sie war nicht so verwegen, die Scheite selbst spalten zu wollen. Diese Aufgabe würde sie ihm überlassen. Er wäre bestimmt nicht begeistert, dass sie die Axt holen ging, aber nachdem er ihr das Leben gerettet hatte, war es das Mindeste, dass sie ihm diesen Weg abnahm. Die frische Luft war eine Wohltat, obwohl sie durch Tierneys Schal atmen musste. Außerdem genoss sie es, die Beine auszustrecken, nachdem sie praktisch zwei Tage eingesperrt gewesen war.
Ehe sie es sich anders überlegen konnte, ging sie die Stufen hinunter und betrat den schmalen Pfad, den Tierney durch den Schnee getrampelt hatte.
Tierney. Eigenartig, dass sie ihn nie Ben genannt hatte. Selbst an jenem Tag am Fluss hatte sie seinen Vornamen nur ein einziges Mal verwendet, und da hatte er sie korrigiert: »Jeder nennt mich Tierney.« Es passte zu ihm.
In gefühlsseliger Erinnerung daran, wie oft sie in der vergangenen leidenschaftlichen Nacht seinen Namen geflüstert hatte, schlang sie den Mantel fester um den Leib und vergrub ihr Lächeln tiefer in seinem Schal. Sein Geruch schien mit den Wollfasern verwoben. Sie sog ihn auf.
Glücklicher, als sie seit Langem gewesen war, überquerte sie ohne weitere Zwischenfälle die Lichtung.
Dann trat sie in den Wald.
William Ritt führte Dutch und Wes vom Carport zur Hintertür seines Hauses und danach durch die Küche ins Wohnzimmer.
»Ein paar Kohlen glühen noch. Bald brennt hier wieder ein richtiges Feuer.« Er ging vor dem Rost in die Hocke und machte sich ans Werk.
Dutch konnte seine Ungeduld kaum noch zügeln. Jede Minute, die er zur Untätigkeit verdammt war, spielte Begley in die Hände. Er brauchte kein Kaminfeuer. Er wollte kein Kaminfeuer, denn es brauchte Zeit, um eines in Gang zu bringen.
Trotzdem scheute er davor zurück, William einzuschüchtern, aus Angst, dass William seine Drohung, die Schneemobile zu beschlagnahmen, auf den Prüfstand stellen und das Angebot, sie ihnen zu überlassen, zurückziehen könnte. Darum stand er wortlos daneben und schaute zu, wie William Scheite auf den Rost häufte und die Kohlen schürte.
Dutch zog ein Funkgerät aus einer der Reißverschlusstaschen in seinem Skianzug. Er stupste Wes an und drückte es ihm in die Hand. »Falls wir da oben getrennt werden. Weißt du noch, wie man es benutzt?«
Wes nickte. »Zum Reden den Knopf drücken und zum Hören wieder loslassen.«
»Genau. Die Reichweite beträgt sieben Meilen.«
Das Holz hatte Feuer gefangen. William stand auf. »So ist es besser. Ich wecke Marilee auf, damit sie uns Kaffee macht.«
»Dafür haben wir wirklich keine Zeit«, sagte Dutch. »Gib uns einfach die Schlüssel, dann machen wir uns auf den Weg.«
»Das dauert höchstens ein paar Minuten. Sie macht euch eine Thermoskanne voll, die ihr mitnehmen könnt.« Er winkte sie ans Feuer. »Fühlt euch wie zu Hause.«
»Ehrlich«, sagte Wes. »Es wäre mir schrecklich unangenehm, wenn du Marilee unsertwegen aus dem Schlaf reißt.«
»Das macht ihr nichts aus«, sagte er und war im nächsten Moment verschwunden.
Dutch beschloss, dass er die Wärme genauso gut genießen konnte, trat an den Kamin und streckte die Hände den Flammen entgegen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie William an eine Tür in der Mitte des Flurs trat.
Selbst wenn Dutch nicht unter Zeitdruck gestanden hätte, hätte es ihm nicht gepasst, Marilee zu wecken. Damit wusste noch jemand von seinem und Wes' Plan, und je mehr Menschen davon wussten, desto
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