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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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zielen gab er einen Schuss in Tierneys Richtung ab. Tierney wurde nicht einmal langsamer. Er lief weiter.
    »Den Außenlautsprecher einschalten«, befahl Begley dem Piloten.
    Wes Hamer war wieder auf die Füße gekommen und lief jetzt erneut auf Burton zu.
    »Haltet den auf Abstand.« Begley richtete den Befehl an niemand Bestimmten, aber einer der anderen Polizisten feuerte mehrmals kurz vor Hamers Füße und jagte dabei kleine Schneefontänen hoch. Hamer blieb sofort stehen und hob die Hände.
    Burton legte das Gewehr an und visierte sein Ziel an, eine Bewegung, die ihm in Fleisch und Blut übergegangen war und höchstens zwei Sekunden brauchte.
    »Chief Burton! Feuer einstellen!« Begleys Stimme dröhnte aus dem Außenlautsprecher und war sogar über dem Rattern der Rotoren zu hören. »Feuer einstellen!«, rief er noch mal. Burtons Kopf ruckte hoch und herum. Collier saß in der offenen Tür, die Füße auf der Kufe, das Gewehr jetzt auf Burton gerichtet. Begley stand direkt hinter ihm und lehnte sich so weit aus der offenen Tür, wie es der Schultergurt zuließ.
    Er konnte Burton deutlich sehen und erkannte an dessen Miene, dass der Chief den Hubschrauber bis zu diesem Moment gar nicht registriert hatte. Außerdem las er etwas in dem Gesichtsausdruck des Mannes, das ihn veranlasste, Collier zu fragen, ob er freie Sicht auf sein Ziel hatte. »Hab ihn.«
    Begley rief: »Stellen Sie das Feuer ein, Burton! Tierney ist nicht Blue! Er ist nicht unser Mann.«
    Aber Burton beachtete ihn gar nicht. Stattdessen zielte er auf Tierneys Rücken und nahm ihn wieder ins Visier. »Verflucht Scheiße! Ist er taub?«, brüllte Begley.
    Ein Unschuldiger würde gleich in Fetzen geschossen, und die Verantwortung dafür würde bis an sein Lebensende auf ihm lasten. Noch bevor er diesen Gedanken wirklich gefasst hatte sagte er: »In die Wade.«
    Collier reagierte und feuerte sofort. Dutch Burtons linkes Bein knickte unter ihm weg. Begley konnte den glühenden Zorn in Burtons Blick erkennen, als der das Gewehr nach oben zog und feuerte.
    Collier stürzte rückwärts in den Hubschrauber. Die Kugel hatte seine schusssichere Weste zwar nicht durchschlagen, aber sie hatte ihm einen schmerzhaften Schlag versetzt.
    Burton feuerte noch mal. Die Kugel verfehlte Begley um Haaresbreite.
    Mit einem ausgiebigen Fluch zog der Pilot den Hubschrauber herum. Begley merkte, wie ihn der Gurt in seinen Sitz presste und wie ihn gleichzeitig die Gravitation durch die offene Tür zu zerren versuchte.
    »Ich hab ihn nicht mehr im Visier«, hörte er einen der anderen in seinem Kopfhörer rufen.
    Der dritte Schütze hatte bei dem scharfen Anstieg des Hubschraubers das Gleichgewicht verloren. Er mühte sich ab, eine halbwegs stabile Position einzunehmen, aus der er feuern konnte. Collier hing immer noch benommen in der Tür und halb im Freien.
    Begley blickte genau in die Mündung von Burtons Gewehr. Er rief: »Nicht schießen, Arschloch!«
    Burtons Gesicht war eine qualvoll verzerrte Maske des Irrsinns. »Fick dich!«
    Begley sah noch, wie Burtons Lippen die Worte formten, bevor eine Tausendstelsekunde später die Kugel seine Stirn durchschlug und aus seinem explodierenden Hinterkopf ein roter Nebel auf den Schnee sprühte. Er kippte nach hinten, Arme und Beine ausgebreitet, ein Schneeengel mit rotem Heiligenschein.
    Begley drehte den Kopf, um sich bei dem Scharfschützen zu bedanken.
    Charlie Wise nahm langsam das Gewehr von der Schulter und reichte es an Collier zurück. Dann setzte er schweigend die Brille wieder auf.
    Begley schluckte schwer, um sein Herz wieder in den Brustkorb hinabzudrücken, wo es hingehörte. »Guter Schuss, Hoot.«
    »Danke, Sir.«
    William Ritt nahm die Hand von Lillys Mund, schaltete das Funkgerät aus und legte es beiseite. »Ich habe dir doch gesagt, dass es ein brillanter Einfall ist.«
    »Wieso?«, fragte Lilly unter einem kaum hörbaren Atemzug.
    »Wieso ich behauptet habe, dass Tierney dich umgebracht hat? Liegt die Antwort nicht auf der Hand?«
    »Nein, wieso haben Sie sie umgebracht?«
    »Ach. Das.« William schlang die Enden des Bandes um seine Hände und zog kräftig an, um zu testen, wie belastbar es war. »Ich könnte meine unfähigen Eltern oder mein mangelndes Selbstwertgefühl dafür verantwortlich machen, aber das sind nichts als abgedroschene Phrasen. Außerdem bin ich nicht geisteskrank. Ich töte sie, weil ich es will.«
    Sie behielt ihre Miene unter Kontrolle, aber in ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken.

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