Eisnacht
der Schwierigkeitsgrade drei und vier führen sollte.
Nachdem sie ungefähr gleich viel Erfahrung hatten, hatte sich zwischen ihnen eine natürliche Kameradschaft eingestellt, vor allem, nachdem sie entdeckt hatten, dass ihre Berufe, wie Tierney es bezeichnet hatte, »eng verschwägert« waren. Er war freier Journalist, der seine Artikel an verschiedene Zeitschriften verkaufte; sie war Chefredakteurin einer Zeitschrift.
Als die Gruppe am Ufer Mittagspause machte, sonderten sie sich von den Übrigen ab und setzten sich gemeinsam auf einen großen Felsen, der halb über dem tosenden Wasser hing.
»Du bist Chefredakteurin?«, platzte es aus ihm heraus, als sie ihm erzählte, in welcher Position sie arbeitete.
»Seit bald drei Jahren.«
»Ich bin beeindruckt. Das ist ein angesehenes Blatt.«
»Ursprünglich war es eine Zeitschrift für Frauen aus den Südstaaten. Inzwischen werden wir landesweit vertrieben, und die Auflage steigt mit jeder Ausgabe.«
In Smart erschienen Artikel über Wohnungseinrichtung, Fashion, Ernährung und Reisen. Die Zielgruppe waren Frauen, die Haushalt und Arbeit zu vereinen suchten, die alles zugleich wollten und alles dafür gaben. Die Artikel erklärten beispielsweise, wie sich aus einem Essen vom Lieferservice ein köstliches Dinner zaubern ließ, indem man ein paar Gewürze aus dem Küchenschrank hinzufügte und das Essen auf Porzellan servierte, oder sie gaben einen Ausblick auf die Schuhtrends der kommenden Saison.
»Natürlich schreiben wir auch für die reinen Hausfrauen«, hatte sie ihm erklärt, »aber unsere eigentliche Zielgruppe ist die Frau, die im Beruf Erfolg haben, den perfekten Urlaub planen und gleichzeitig fabelhafte Dinnerpartys geben will, die sie aus dem Handgelenk zusammenstellt.«
»Geht so was überhaupt?«
»Das erfährst du in der Juli-Nummer.«
Lachend hatte er ihr mit seiner Wasserflasche zugeprostet. Die Sonne war warm, die Unterhaltung entspannt. Sie entwickelten ein freundschaftliches Verhältnis. So spannend die Flussfahrt bis zum Mittagessen gewesen war, hatten sie es gar nicht eilig, wieder in die Kajaks zu steigen, als der Führer das Ende der Pause verkündete.
Den ganzen Nachmittag über plauderten sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit, meist jedoch mussten sie sich auf die Herausforderungen konzentrieren, die dieser Sport stellte. Trotzdem spürten sie ständig die Anwesenheit des anderen. Sie verständigten sich mit Gesten oder einem Lächeln. Die gegenseitige Bewunderung für die Fähigkeiten des anderen gestatteten, dass sie sich gegenseitig neckten, wenn einer von beiden mit dem Kopf ins Wasser tauchte.
Er versorgte sie mit Sonnencreme, als sie entdeckte, dass sie ihre zu Hause vergessen hatte. Aber er teilte seine Sonnencreme auch mit den beiden Collegestudentinnen, die schamlos mit ihm flirteten und den ganzen Tag über seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen versuchten.
Als sie an der Stelle anlegten, wo sie am Morgen ihre Autos abgestellt hatten, ging Lilly zu ihrem Wagen und er zu seinem. Nachdem er die Ausrüstung in seinem Cherokee verstaut hatte, kam er noch mal angelaufen. »Wo wohnst du hier?«
»In Cleary. Ich bin den Sommer über an den meisten Wochenenden hier. Ich habe hier eine Berghütte.«
»Nett.«
»Stimmt.«
Die Collegestudentinnen hielten mit ihrem Jeep genau neben ihnen. »Bis später, Tierney«, rief die Fahrerin.
»Äh, ja, klar.«
»Du weißt noch, wie der Schuppen heißt?«, fragte die andere vom Beifahrersitz aus.
Er tippte sich an die Stirn. »Ist fest hier drin gespeichert.«
Ohne Lilly eines Wortes zu würdigen, aber mit einem verschwörerischen Lächeln für Tierney fuhren sie ab und wirbelten dabei eine dicke Staubwolke auf.
Er winkte ihnen nach und schüttelte gleichzeitig den Kopf. »Partygirls, die es nicht erwarten können, in Schwierigkeiten zu kommen.« Dann wandte er sich wieder Lilly zu und lächelte. »Es widerspricht meiner Männerehre, das zuzugeben, aber bei den letzten heftigen Stromschnellen habe ich neben deinen Rodeotricks echt alt ausgesehen.«
Sie knickste ironisch. »Vielen herzlichen Dank. Von jemandem mit deiner Technik ist das ein echtes Kompliment.«
»Dafür sollte ich dich mindestens auf einen Drink einladen. Können wir uns irgendwo treffen?«
Sie nickte der Staubwolke hinterher, die der Jeep der beiden Mädchen aufgewirbelt hatte. »Ich dachte, du hättest schon was geplant.«
»O ja«, sagte er. »Ich habe geplant, mich mit dir zu treffen.« Ihr Lächeln erstarb.
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