Eisrosensommer - Die Arena-Thriller
Unterton entging ihrer Mutter vollkommen.
»Ich werd Frau Lehmberg Bescheid sagen, dass sie das Waschmittel wechseln soll.« Und damit war sie verschwunden, herunter ins Parterre, einen Müsliriegel in der Linken und eine fingerhutgroße Espressotasse in der Rechten: Das Rechtsanwaltsbüro Canisius & Canisius war eben auch am Wochenende stets zu Diensten der Klienten.
Im Bad warf Pia einen kritischen Blick in den Spiegel.
Wie heißt es noch gleich in diesem Uralt-Schlager? »His Love Makes Me Beautiful«? Bullshit. Absoluter bullshit.
Sie ärgerte sich zum x-ten Mal darüber, nicht auf den netten jungen Optiker gehört zu haben, der ihr ein dioptrienangepasstes Gratis-Modell angeboten hatte, und stibitzte die dunkelste Sonnenbrille ihrer Mutter aus dem Badregal.
Besser schlecht sehen als schlecht aussehen.
Es dauerte eine Weile, bis Nele an ihr Handy ging. Den Hintergrundgeräuschen zufolge war sie zu Hause.
»Nele? Hast du mal fünf Minuten?«
»Liebeskummer oder ist es was Ernstes?«
Haha. Sehr witzig.
»Beides.«
»Okay.«
Als Pia bei Christian und Nele ankam, hatte ihre Schwester bereits Schokoladenkuchen und eine Flasche Prosecco auf den Tisch gestellt.
Christian war leicht pikiert, weil Nele ihn offenbar für ein paar Stunden des Hauses verwiesen hatte. »Na dann, tschüss, ihr beiden«, brummte er und stopfte einen Krimi in die Tasche seines Armani-Blazers.
Pia konnte nicht umhin festzustellen, dass Nele ihren Zukünftigen offenbar eisern im Griff hatte.
Zu blöd, dass meine Schwester das Coolness-Gen der Familie total für sich allein gepachtet hat.
Entsprechend fiel Neles Reaktion auf Pias Schilderung des verkorksten letzten Abends aus: »Weißt du, was? Vergiss ihn einfach.«
»Toller Tipp.«
»Der erste Sex in ’ner abgeranzten Künstlergarderobe? Wie krank ist das denn?«
»Na jaaa…« Pia fand es weder sinnvoll noch tröstlich, auf Jonas’ Verhalten rumzuhacken. »Er ist in diesen Dingen halt lockerer drauf als ich.«
»So locker, dass es scheißegal ist, wie du dich dabei fühlst?!«
Als Pia darauf partout keine Antwort einfallen wollte, köpfte Nele den Prosecco, goss zwei Gläser randvoll und prostete ihrer kleinen Schwester aufmunternd zu.
»Ich hab mal von ’nem Paar gehört – voll bescheuert! –, das hat’s am liebsten in Umkleidekabinen von Kaufhäusern getrieben!«, fuhr sie kichernd fort, »weil es die beiden total angetörnt hat, womöglich in flagranti erwischt zu werden!«
Pia nahm einen tiefen Schluck Prosecco und kuschelte sich in die Arme ihrer Schwester.
»Nele«, seufzte sie wohlig, »deine Aufmunterungsversuche sind wie immer der nackte Albtraum.«
»Nee: echt?«
»Echt.«
4
Während Pia sich auf Neles ausladender Couch in Selbstvorwürfen wegen ihrer Unerfahrenheit im Allgemeinen und in Bezug auf Jonas im Besonderen erging, nahm Lennart Peters am anderen Ende der Stadt seine Hündin an die Leine und ging an den Pferdekoppeln vorbei zur Bushaltestelle.
»Du solltest diesen Jonas abholen, wenn er heute Nachmittag zum ersten Mal kommt«, hatte sein Vater gesagt und »Du musst dem Jungen das Gefühl geben, dass du nicht mehr sauer auf ihn bist«, hatte seine Mutter hinzugefügt. Lennart wusste, dass jede weitere Diskussion sinnlos war, und ließ es dabei bewenden.
Nagual knurrte, als Jonas ausstieg.
»’n Tag, Jonas.«
»Hi, Len.«
Als Jonas näher kam, sträubten sich Naguals Nackenhaare und ihr Knurren wurde lauter.
»Dass das klar ist: Ich bin nur hier, weil meine Eltern das für einen unabdingbaren Akt der Höflichkeit halten«, sagte Lennart. Er kraulte beruhigend Naguals Nacken und die Hündin verstummte.
»Kein Problem.« Jonas zuckte die Achseln. »Ich bin eh nur hier, weil die Kids vom Teen-Court offenbar glauben, dass man mit guten Taten die Welt verändert.«
»Schön, dass wir das geklärt haben.«
Im Pferdestall angekommen hängte Lennart Naguals Leine an den Haken neben der Tür und die Hündin stob davon.
Dann reichte er Jonas ein Paar Gummistiefel.
»Die dürften passen.«
»Und? Was soll ich machen?«
Mit einer Kopfbewegung deutete Lennart auf eine Reihe leer stehender Boxen. »Sauber machen und dann frische Streu aufschütten.«
»Na toll! Scheiße wegräumen!«
»Gehört nun mal dazu. Und die feuchte Streu muss ebenfalls raus. Ist ein bisschen wie Katzenklo sauber machen. Riecht dafür nicht ganz so schlimm.«
»Und was ist mit dem Gaul dahinten?«
»Das ist Finesse, das One-Million-Dollar-Babe von den von Alsfelds.
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