Eisrosensommer - Die Arena-Thriller
beenden!
»Frau Matussek, es tut mir leid, aber: Ich fürchte, das ist heute die letzte Nachhilfestunde, die ich Ihrer Tochter geben kann…«
Weiter kam sie nicht.
Rebecca erschien in der Tür zum Garten, mit zerzausten Haaren und geröteten Wangen, lediglich ein dünnes Sleepshirt am ansonsten offensichtlich nackten Körper.
»Ich komm gleich!«, rief sie, »muss nur noch schnell Wiedersehen sagen!«
Hinter ihr erschien eine zweite Gestalt.
Rebecca lachte glucksend, zog den jungen Mann zu sich heran und versank mit ihm augenblicklich in einem innigen Kuss.
»Hallo, Pia«, sagte Jonas, als er wieder zu Atem kam. Dann winkte er Therese Matussek zum Abschied zu und verschwand. »Tschüss, Frau Matussek!«
»Bis nachher!«, flötete Pias Mutter, »und komm nicht so spät, Jonas! Ich hab für heut’ Abend Lammkoteletts eingekauft!«
Der Rest ging in diffusem Rauschen unter. Als das Rauschen nachließ, hatte sich Rebeccas Mutter besorgt über sie gebeugt, und Pia wurde klar, dass es sich bei dem alles überlagernden Geräusch um das Pulsieren ihres eigenes Blutes gehandelt hatte.
»Ist Ihnen nicht gut?«
»Doch, doch, geht schon wieder…«
Gar nichts geht. Irgendwie… geht gar nichts…
Sie hatte sich stundenlang die Strafpredigt zusammenfantasiert, die sie Rebecca wegen ihrer Hinterherschnüffelei halten wollte. Und sie hatte ihr klipp und klar sagen wollen, dass jeder Versuch, ihr den Freund auszuspannen, sinnlos war, weil Jonas mit Sicherheit nicht auf eitle, überdrehte und gnadenlos oberflächliche Perlenkinder mit irisierender Aura stand.
So kann man sich täuschen.
Bevor Pia weiter darüber nachdenken konnte, kam Rebecca in den Garten getanzt, in Shorts und Bikinioberteil, die Haare immer noch zerzaust, übers ganze Gesicht strahlend. »Hallo, Pia!«
»Beckylein, schau mal! Pia ist ganz plötzlich schlecht geworden! Ich mach ihr ’n Melissentee. Das hilft bestimmt«, wisperte Therese Matussek übertrieben besorgt und entschwebte in Richtung Küche.
Statt ihrer setzte sich Rebecca neben Pia auf die Bank.
»Oje«, sagte sie, »was ist denn mit dir los? Sonnenstich? Oder hat dich was gepikt? ’ne Biene oder so?«
Als Pia nicht antwortete, riss sie erschrocken die Augen auf und schlug sich die Hand vor den Mund. »Ach du liiiebe Güte! Du… du bist doch nicht etwa…« Sie geriet ins Stottern. »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig oder so was?«
Als Pia nicht reagierte, legte sie ihr den Arm um die Schultern. »Mensch, Pia, das tut mir leid. Ich mein’, du hast doch selber gesagt, dass zwischen Jonas und dir nichts läuft…«
Ja. Das hab ich gesagt. Und ich könnt’ mich dafür ohrfeigen! Aber mit ein bisschen Einfühlungsvermögen hätte sogar dir klar sein müssen, dass das nur so dahergesagt war!
Pia überlegte fieberhaft, wie sie Rebecca, ihrer durchgeknallten Mutter und dem gruseligen Eiapopeia, das die beiden mit ihr veranstalteten, entfliehen konnte.
»Sorry, aber: Ich glaub, ich hab was Falsches gegessen…«
Klingt alles andere als überzeugend. Aber egal. Hauptsache raus hier.
»Pia, warte! Wir können doch über alles reden«, rief Rebecca ihr hinterher, aber Pia war bereits durch den Vorgarten davongerannt, die Stichstraße mit ihren mageren Hecken und hässlichen Häusern entlang bis zur Hauptstraße.
Dort stand Jonas. An der Bushaltestelle. Er hatte sein Mofa dabei.
Mist! Anscheinend wartet er auf mich, um mit mir zu reden.
Es war zu spät, sich zu verstecken: Er hatte sie kommen sehen und die Gärten mit ihrem mickrigen Bewuchs hätten ohnehin keinen Schutz geboten.
»Hey, Pia. Sorry, dass du’s quasi mit der Holzhammermethode erfährst. Ich hätt’ dich heute oder morgen bestimmt angerufen.«
Ach? Tatsächlich?
»Wozu? Um Schluss zu machen?«
»Quasi. Ja. Obwohl… Eigentlich hatte es mit uns ja auch noch gar nicht richtig angefangen.«
Ansichtssache. Mit Rebecca muss es jedenfalls »quasi« über Nacht angefangen haben!
Sie schwieg.
»Weißt du, Pia: Becky ist einfach… total locker drauf. Und sie glaubt und vertraut mir. Im Unterschied zu dir.«
»Was glaubt sie dir?«
Jonas zuckte die Achseln und blieb ihr die Antwort schuldig.
Bis der Bus kam, redeten sie kein Wort mehr miteinander.
»Hey, wir können doch trotzdem Freunde bleiben, oder?«, rief Jonas Pia hinterher, kurz bevor sich die Bustür hinter ihr schloss.
Wir sind nie Freunde gewesen, Jonas. Freunde hintergehen einander nicht.
Sie verzog sich in die letzte Sitzreihe und lehnte den Kopf
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