Eisrosensommer - Die Arena-Thriller
aber…«
»Ich glaube, wir beide hatten das letzte Mal einen ausgesprochen miesen Start. Also: Ich heiße Lennart.«
»Pia«, sagte Pia.
Lennart Peters’ geschliffene Umgangsformen und seine offensichtliche Freude, sie wiederzusehen, brachten sie völlig aus dem Konzept.
»Tee oder Kaffee?«
»Gar nichts. Ich…«
»Fliederbeersekt vielleicht?«
»Ähm…«
»Keine Angst, das heißt nur so! Ist selbst gemacht. Aus Holunderblüten. Garantiert alkoholfrei.«
Er nahm eine Flasche aus dem Kühlschrank und füllte zwei Gläser.
Pia gab sich geschlagen, nickte und schwieg.
Die Hofgeräusche drangen nur gedämpft in Lennart Peters’ Zimmer herauf und in der plötzlichen Stille hörte Pia ein deutliches Brummen. Sie schaute sich um. Das klang nicht nach Wespe, Hummel oder Biene, das klang nach dicker, fetter Schmeißfliege.
»Pscht!« Lennart legte beschwörend den Finger auf den Mund.
Er stand, die beiden Gläser in den Händen, bewegungslos mitten im Zimmer und verfolgte die Flugbahn des Insekts lediglich mit den Augen.
Das Vieh kurvte mehrfach um die Deckenlampe herum, machte Zwischenstation auf der Computertastatur und steuerte dann im Zickzackflug die Fensterbank an.
Erst jetzt fiel Pia der erdige Geruch auf, der von dort ausging.
Ein bisschen wie im Gewächshaus.
So ähnlich sah es dort auch aus: Töpfe, Pflanzgefäße und zwei Glasbehälter von der Größe eines Aquariums. Darin futuristisch wirkendes Grünzeug, das Pia spontan an Filme wie Alien erinnerte: lange rötliche Trichter, haarige Spiralen und muschelförmig aufgeklappte Ausleger, eingefasst von gefährlichen kleinen Stacheln. Ob es sich dabei um Blüten oder Blätter handelte, war nicht auszumachen.
Trotzdem wusste Pia, was jetzt kam:
Fliege schnuppert Nektar, Fliege landet auf gezahnter Falle, Pflanze klappt die Klappe zu, Fliege zappelt, kann nicht raus, schlimmes Ende für Fliege, Pflanze verdaut.
»Bravo, Kleines!« Lennart machte, als sich dort nichts mehr bewegte, eine anerkennende kleine Verbeugung in Richtung Blumenfenster.
Dann stellte er die Getränke auf einem wackligen kleinen Beistelltischchen ab, zog seinen Schreibtischstuhl heran und setzte sich Pia gegenüber. »Weißt du, die meisten Leute denken, man muss Karnivoren füttern. Dem ist aber ganz und gar nicht so. Was die sich gelegentlich selber fangen, reicht vollkommen.«
»Aha…?«
Pias Gesicht musste deutlich ihre völlige Ahnungslosigkeit in Sachen fleischfressende Pflanzen und deren optimale Ernährung spiegeln.
Lennart lachte. »Okay, ich halt schon den Mund! Ich vergess immer wieder, dass Bio nicht unbedingt zu den verbreitetsten Lieblingsfächern zählt. Und Botanik erst recht nicht. Prost!«
Er hob auffordernd sein Glas.
Der Fliederbeersekt schmeckte herrlich erfrischend. Pia musste sich regelrecht zügeln, das Glas nicht in einem Zug leer zu trinken.
»Lecker«, sagte Pia.
Lennart Peters lachte. »Na, sag ich doch! Danke!« Er stützte die Ellenbogen auf die Knie, legte den Kopf auf seine gefalteten Hände und schaute Pia erwartungsvoll an. »Und?«
»Und was?«
»Na, worum geht’s?«
Die Luft flirrte in den hereinfallenden Sonnenstrahlen, es war sommerlich warm und das Zimmer strömte trotz all der wehrhaften Pflanzen eine so anheimelnde Gemütlichkeit aus, dass Pia beinahe vergessen hatte, weshalb sie hergekommen war. Sie rückte ihre Riesenbrille zurecht und widerstand dem Drang, sich einfach in den weichen braunen Ledersessel sinken zu lassen und mit Lennart Peters über Gott und die Welt zu plaudern.
Wenn du dich jetzt auch noch räusperst, Pia Canisius, dann machst du dich glatt zur Witzfigur!
Sie straffte sich und gab sich alle Mühe, trotz Frosch im Hals einen kühl-professionellen Ton anzuschlagen.
»Ich hab heute Nachmittag bei allen Mitgliedern des Teen-Courts angerufen, und wir möchten gern die Sache mit Jonas Romeikes Arbeit hier auf dem Hof so regeln, dass da in Zukunft nichts mehr schiefgeht.«
»Na, an mir soll’s nicht liegen!« Lennart Peters hob abwehrend die Hände. »Hab ich irgendwas gesagt oder getan?«
»Du hast ihn doch quasi rausgeschmissen!«
»Was? Wer sagt das?« Lennart Peters sprang auf. »Das ist doch absurd! Ich hab mich um nichts anderes gekümmert als um Nagual! Um sie vielleicht in letzter Sekunde doch noch zu retten! Und als die Tierärztin kam, war Jonas schon nicht mehr da. Das Flatterkleidchen übrigens auch nicht.«
»Was denn für ’n Flatterkleidchen?«
»Rebecca Matzeck, Matzureck,
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