Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
würde.«
Die drei Mädels starren sie an.
»Ich glaube nicht, dass es irgendjemanden gibt, der das freiwillig nachmacht«, sagt Saskia nach einem langen Moment.
»Wenn ihr wirklich meine Freundinnen seid, lasst ihr mich jetzt nicht hängen«, fordert Lilly.
»Jetzt lauf mal nicht Amok. So schlimm ist es ja auch wieder nicht«, weicht Kim aus.
»Und wieso willst du dann nicht so aussehen?«
»Okay. Komm. Her mit der Farbe. Reicht es, wenn ich mir das rote Zeug in die Haare schmiere?« Das ist Zoe.
»Willst du das wirklich machen?«, fragt Lilly überrascht.
»Wenn dir das hilft.«
Eine halbe Stunde später sieht Zoe aus als habe sie eine stark blutende Kopfwunde. Zwischen ihren hellblonden Haaren leuchtet es rot. Saskia und Kim haben sich gedrückt. Kim hat sogar was von sensibler Kopfhaut und allergischen Reaktionen gefaselt. Lilly scheint aber auch so beruhigt. Zoe erträgt ihren neuen Look mit stoischem Gleichmut. Wenn Lilly jetzt beschlösse, sich doch lieber eine Glatze rasieren zu lassen, würde sie nachziehen. Es ist ihr nicht wichtig genug, was andere von ihr denken.
Die meisten zumindest sind nicht wichtig.
Der Duft von Apfel
C arl guckt irritiert auf Zoes Kopf. »Solche billigen Strähnchen haben die Tussis bei uns im Block auch alle. Machst du das, um mir zu gefallen?«
Zoe guckt ihn kalt an. »Ich werde sicher niemals auch nur irgendetwas tun, um dir zu gefallen. Ich bin sogar sicher, ich mache nichts, was dir gefallen könnte.«
Carl ist da nicht so sicher, aber er sagt das nicht.
Zoe hat sich wieder neben Carl gesetzt. Die Trumm will heute mit ihrer finalen Show zur Weimarer Republik weitermachen. So wie sie das Thema liebt, befürchtet Zoe, dass das ein langer Abschied wird. Wie der Tod von Winnetou. So schnell lässt die Trumm ihren Liebling sicher nicht ziehen.
»Carl, trag doch mal vor, was du und Zoe herausgefunden habt«, fordert die Lehrerin auf.
Carl rattert die Liste runter. Einfluss der Wirtschaft, politische Intrigen, Massenarbeitslosigkeit, Inflation, Reparaturzahlungen, Stärke der NSDAP , fehlende Erfahrung mit einer Demokratie.
»Eigentlich glauben wir aber, dass die Menschen zu naiv waren. Mit dieser neuen Demokratie konnten sie nicht umgehen. Sie sehnten sich wieder danach, befehligt zu werden. Sie wollten regiert werden und nicht selber Verantwortung übernehmen. Deswegen war das Hitler-Regime eigentlich eine logische Konsequenz. Die Menschen hatten es nicht besser verdient.«
Zoe zuckt zusammen. So hätte sie das vielleicht nicht formuliert. Aber tief in ihrem Innern gibt sie Carl recht.
Der Rest der Stunde geht an ihr vorbei. Sie weiß jetzt endlich, woran sie dieser Duft erinnert. An ihre Oma. Carl benutzt offenbar ein Apfel-Shampoo. Bei ihrer Großmutter roch es auch immer nach Apfel. Sie würde am liebsten die Augen geschlossen halten und sich von diesem Aroma in ihre Erinnerung tragen lassen. In eine Zeit, als noch alles hell und klar und fröhlich schien. Wo Schatten ein Abfallprodukt von Sonne war. Zoe taucht ein in eine Zeit, die unbefleckt ist.
Sie wird erst wieder richtig wach, als sie Leo hinter sich hört. Das Pult ist leer, die Stunde ist vorbei. Fünf Minuten Verschnaufpause.
»Carl und Zoe fühlen sich offenbar als auserwähltes neues Paar«, stichelt Leo. »Mir geht euer Gequatsche von den dummen Menschen und der blöden Masse ganz schön auf den Nerv. Erst gestern in Philo und jetzt schon wieder. Haltet ihr euch für was Besseres? Die Schöne und das Biest, oder was? Wollt ihr jetzt unsere Erlöser sein?«
Zoe kann mit diesem Vorwurf nicht umgehen. Sie ist noch nie so angefeindet worden. Carl guckt Leo an wie ein komisches Insekt. Als würde er überlegen, ob diese Schmeißfliege wohl eine Daseinsberechtigung hat. Er entscheidet wohl, dass von Leo keine Gefahr ausgeht.
»Kleiner, sprich mich wieder an, wenn du groß geworden bist.«
Als der Berg reinkommt und sein Mathebuch auf den Tisch knallt, lässt Leo sich mit rotem Kopf auf seinen Stuhl gleiten.
»Zoe, bleibst du da sitzen?« Der Lehrer stutzt kurz.
Zoe hatte ganz vergessen, ihre Sachen einzupacken und zu ihrem angestammten Platz neben Kim zu gehen. Sie nickt nur kurz. Leo soll nicht denken, sie würde vor ihm kuschen. Dem erstaunten Blick von Kim weicht sie aus. Und so sieht sie auch nicht, wie Carl ihrer Freundin frech ins Gesicht grinst und seinen kleinen Triumph feiert.
Als Zoe sich nach der großen Pause neben Kim auf den Stuhl fallen lässt, guckt die nur kurz auf. »Du kannst
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