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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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Knabbern, kühle Getränke und vor allem gute Musik. Jeder andere, der sie auf einem Ausflug überraschen wollte, hätte das wohl gemacht.
    Carl ist nicht jeder. Aber das wusste sie ja eigentlich. Sie lacht höhnisch über ihre Naivität.
    Der Weg gabelt sich. Links geht es steil bergauf, rechts fällt der Weg leicht ab. Sie entscheidet sich für links. Das führt sie zwar weiter weg von der Richtung, die sie eigentlich einschlagen will, aber sie hofft, oben von dem Hügel noch mehr sehen zu können.
    Das T-Shirt klebt mittlerweile am Rücken. In ihrer Jeanstasche spürt sie bei jedem Schritt das Handy. Natürlich könnte sie jetzt jemanden anrufen. Ihren Vater zum Beispiel.
    Hallo, ich bin hier mitten im Wald, keine Ahnung wo genau. Kannst du mich bitte abholen?
    Der würde wahrscheinlich gleich einen Suchtrupp organisieren. Und wenn sie Zoe dann gefunden hätten, würden die Fragen kommen. Nein, darauf hat sie gar keine Lust. Und überhaupt, diese Blöße wird sie sich nicht geben. Sie ist ja nicht im Dschungel. Es lauern keine gefährlichen Tiere im Dickicht, es kreisen keine Aasgeier in der Luft, die nur darauf warten, dass sie erschöpft oder verletzt zusammenbricht.
    Der Weg wird flacher. Und sie sieht weiterhin nur Wald. Sie hat das Gefühl, dass er dunkler wird, geheimnisvoller. Zwischen den Büschen schimmern riesige Spinnweben. Es ist nichts zu hören. Selbst ihre eigenen Schritte werden von dem Waldboden abgefedert. Sie ist alleine auf der ganzen Welt. Oder? Oder ist Carl wirklich in ihrer Nähe? Pirscht er die ganze Zeit unsichtbar neben ihr her? Beobachtet er sie?
    Sie dreht sich abrupt um, schaut, ob sich irgendwo verräterisch Äste oder Zweige bewegen. Nichts. Der Weg führt bergab und weiter unten sieht sie einen kleinen Bach. Sie muss dahin. Sie muss da was trinken. Es ist steiler, als sie gedacht hatte. Sie hält sich beim Abstieg an Zweigen fest, um nicht abzurutschen. Als sie mit dem Fuß an einer Wurzel hängenbleibt, fällt sie und schürft sich den Handballen auf. Sie guckt irritiert auf die leicht blutende Wunde. Wie immer, wenn sie sich verletzt, fühlt sie nichts. Keinen Schmerz. Nur Erstaunen. Sie schliddert weiter. Als sie endlich bei dem Rinnsaal ankommt, schöpft sie mit beiden Händen das Wasser und trinkt gierig. Sie fühlt sich, als sei sie seit Stunden in sengender Hitze unterwegs. Sie wäscht auch ihr Gesicht, achtet nur darauf, die Augen auszulassen. Sie weiß nicht sicher, ob ihre Wimperntusche wasserfest ist.
    Danach macht sie sich wieder an den Aufstieg. Sie hangelt sich wieder von Ast zu Ast, ist fast schon wieder durstig, als sie oben auf dem Weg ankommt. Sie geht weiter. Und fragt sich, was das eigentlich für ein Spiel ist. Was bezweckt Carl damit? Was gibt ihm das? Sie weiß, dass das kein Klein-Jungen-Quatsch ist. Sie spürt, dass das hier ein Kampf ist, eine Herausforderung. Will er sie klein kriegen? Will er, dass sie sich heulend auf den Boden wirft, zitternd vor Angst? Will er sie demütigen?
    Was es auch ist, Zoe will gewinnen. Sie kennt den Einsatz nicht, aber sie ist sich sicher, dass er nicht zu hoch ist.
    Der Weg macht eine Kurve. Zoe hat das Gefühl im Kreis gegangen zu sein. Soll sie jetzt umkehren? Den ganzen Weg bis zu der Weggabelung zurückgehen? Oder einfach sich rechts durch den Wald schlagen, fernab vom Weg? Instinktiv glaubt sie, dass das die richtige Richtung wäre, aber sie traut sich nicht. Was, wenn sie dann völlig die Orientierung verliert? Dann wird sie nie gefunden. Zum ersten Mal hat sie ganz kurz das Gefühl, dass es hier um etwas Existenzielles geht. Sie verscheucht den Gedanken, bleibt auf dem Weg.
    Und ganz plötzlich liegt eine riesige Wiese rechts neben ihr. Sie ist nicht umzäunt, fällt nach unten ab. Vielleicht sieht sie ja was, wenn sie an den gegenüberliegenden Rand dieser Wiese geht. Zoe taucht aus dem Dunkel des Weges in der Sonne auf, fühlt das Licht. Unterhalb der Wiese fängt wieder Wald an. Und plötzlich will sie nicht mehr. Sie will sich nicht an Carls blöde Spielregeln halten. Zoe lässt sich fallen, blinzelt in die Sonne.
    Jetzt beginnt ihr Spiel.
    Die Karten sind neu gemischt. Was macht er jetzt wohl? Wird er sie suchen? Oder hockt er jetzt da irgendwo im Wald, starrt sie an? Wird er irgendwann einfach nach Hause fahren?
    Wie lange wird er am Denkmal auf sie warten?
    Sie hat keine Angst, ist eher neugierig. Sogar den Durst spürt sie nicht mehr so dringend. Plötzlich fühlt sie keinen Druck mehr. Warum soll sie sich

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