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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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– und das nun ausgekotzt.
    Stefan und Sonja sind wie betäubt. Erstarrt. Es ist Sonja, die sich als Erste fängt.
    »Du bist nicht schuldig«, flüstert sie.
    »Nee, klar«, lacht Zoe zynisch.
    »Die Nabelschnur hatte sich schon vorher von der Plazenta gelöst. Das hat die spätere Untersuchung ergeben. Deine Angstattacke und dein hysterischer Anfall damals haben überhaupt nichts mit Franzis Behinderung zu tun. Sie ist nicht wegen dir so wie sie ist. Sie wäre so oder so behindert auf die Welt gekommen. Wir haben auch lange gebraucht, das einfach zu akzeptieren. Das ist die Natur. Niemand hat ein Recht auf ein gesundes Kind. Und wer definiert eigentlich, was gesund oder was normal ist? Aus irgendeinem Grund hat mein Körper kurz vor der Geburt die Verbindung gekappt. Ich habe mich lange dafür geschämt. Irgendwann musste ich damit aufhören. Sonst wäre ich kaputt gegangen«, erklärt Sonja Kessler ihren Händen, die sie auf der Tischplatte knetet.
    Jetzt frisst die Stille Zoe auf. Von allen Seiten hackt das Gefühl seine Zähne in sie. Sie muss an dieses Pacman-Spiel denken. Dieses gefräßige kleine Monster. Sie fühlt Hunderte Monster an sich knabbern.
    Sie starrt ihre Mutter an, ihren Vater. Sie möchte was sagen, aber da sind keine Worte mehr. Nichts ist mehr, wie es vor drei Minuten war. Nichts hat mehr einen Grund.
    »Warst du deswegen immer so lieb zu Franzi? Weil du dachtest, du seiest schuldig?« Stefan Kessler redet auch mit seinen Händen.
    Keiner hier will jetzt dem anderen in die Augen sehen.
    Nein, denkt Zoe sofort. Sie war lieb zu ihr, weil sie Franzi zum Glucksen bringen wollte, in den verträumten Schlaf. Weil sie sie mag, weil sie ihren Eltern helfen wollte.
    Ja, denkt sie danach. Weil es doch das Mindeste war. Und das war ja doch nur so wenig.
    Sie hat es gemacht, weil ein zufriedener Gesichtsausdruck ihrer kleinen Schwester das Einzige war, das den Schmerz der Schuld zumindest gedrosselt hat. Das alles kann Zoe nicht sagen. Sie sieht an sich runter. Ist sich fremd.
    Bis gerade war sie Zoe, die Vogelfreie. Nichts konnte ihr passieren. Weil nichts schlimmer sein konnte als die Schuld. Und jetzt? Wer ist sie jetzt, wenn nicht das Mädchen mit den Kreuzen aus Lammblut auf der Seele?
    Sie steht abrupt auf, der Stuhl fällt dabei um. »Ich gehe nach oben.«
    Sie muss weg aus diesem Triumvirat. Fast so lange sie denken kann, hat sie die Macht der Schuld gefühlt. Sie war Motor, Betäubung, Herausforderung, Stigma.
    Und was ist da jetzt?
    Wer ist sie jetzt?
    Wie fremd steht sie mitten in ihrem Zimmer, weiß nicht, wohin mit sich. Mit ihrer Fassungslosigkeit, ihrer Leere. Ihr erster Impuls ist: weg hier. Wie betäubt holt sie ihre große Tasche aus dem Kleiderschrank, fängt wie blind an, Klamotten reinzustopfen. Sie muss hier raus. Sie fühlt eh keinen Boden mehr unter den Füßen. Sie möchte sich gerne in einem anderen Leben anschwemmen lassen. Irgendwo ganz neu beginnen. Plötzlich hält sie inne, lehnt sich an die Wand und lässt sich langsam runtergleiten. Sie hat plötzlich das Gefühl, noch nicht mal mehr die Kraft zu haben, um zu stehen. Wenn sie all die Jahre nicht gegangen ist, warum sollte sie jetzt gehen? Wo sie doch gerade die Absolution erhalten hat. Wo doch plötzlich die Sonne aufgehen müsste. Sie müsste spüren, wie die Ketten um sie gesprengt werden wie beim »eisernen Heinrich«. Zoe windet sich unter ihren Gedanken. Sie soll plötzlich ein ganz normales Mädchen sein? Das schafft sie nicht. Wenn jetzt jemand käme und sagte: »Toll, wie du das mit deiner Schwester machst«, dann dürfte sie ein bisschen stolz sein? Sie dürfte auf sich stolz sein? Sie weiß gar nicht, wie das geht. Sie weiß gar nicht, wie es sich anfühlt. Sie dürfte vor dem Spiegel stehen und finden, dass sie gut aussieht. Und es käme keine Stimme, die flüsterte: Und nebenan liegt eine verstümmelte Kreatur und du bist schuld.
    Sie dürfte richtig glücklich sein.
    Sie könnte nach dem Abi irgendwohin zum Studieren gehen. Nach Berlin, Hamburg, München. Sie müsste nicht aus schlechtem Gewissen dableiben, um Mama und Papa zu helfen. Sie steht ungläubig vor ihrer neuen Welt und ihr wird übel. Sie hat keine Orientierung mehr.
    Kennt sich nicht mehr aus.
    Kennt sich nicht mehr.
    Irgendwann stopft sie die halb gepackte Tasche wieder unten in den Kleiderschrank, legt sich ungewaschen ins Bett. Bloß niemanden mehr sehen heute Abend. Sich auch nicht in den schwarzen Knopfaugen des Teddys spiegeln. Einfach nur

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