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Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
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habt.«
    »Beck, du musst wie ein Anführer denken, nicht wie ein Junge«, dröhnt Eamons tiefe Stimme.
    »Wie ein Anführer? Hast du dich wie einer verhalten, als du ihr gedroht hast, sie zu töten? Denn wenn das so ist, will ich gar nicht euer Anführer sein. Ich habe mir das alles nicht ausgesucht. Und Lark auch nicht.«
    Beck nähert sich der Stelle, an der ich mich zwischen die Zelte gezwängt habe; er weiß, dass ich hier bin, und spürt meine Panik. Er ist so nahe, dass seine Wärme durch die Zeltbahn ausstrahlt, und ich rücke enger an ihn heran.
    Eamon herrscht ihn an: »Du weißt ja nicht, was du sagst!«
    »Vielleicht liegt das daran, dass ihr mir seit Wochen nur erzählt, was ich nicht tun darf: Ich darf nicht mit Lark reden, ich darf sie nicht lieben, ich darf sie nicht beschützen. Warum hat niemand versucht, mir beizubringen, was ich tun kann? Was für einen Zauber habt ihr zu dem Zweck?« Beck versagt die Stimme.
    Ich male mir die Verzweiflung in seinem Gesicht aus, und Tränen rollen mir über die Wangen. Ich wünschte, ich könnte ihm sagen, dass alles wieder gut wird, aber das kann ich nicht. Ich weiß nicht, ob es gut wird.
    »Du brauchst keinen Zauber, Beck. Du brauchst ein Wunder«, antwortet Eloises klare Stimme.
    Im Zelt wird es still.
    Ich ducke mich noch tiefer und warte darauf, dass jemand etwas sagt – irgendetwas. Aber das tut niemand.
    In dem Schweigen wird mir alles klar. Ich war egoistisch und habe mir nur um mich und meine Taten Gedanken gemacht.
    Aber Beck – Beck liebt die Person, die ihn töten wird, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommt. Er muss tatenlos zusehen, wie ich mich von dem Mädchen, das er geliebt hat, in ein Ungeheuer verwandle. Er muss sich entscheiden, ob er versuchen soll, sich, seine Familie und seine Freunde zu verteidigen. Wenn er es nicht kann, wenn er irgendetwas für mich und das, was einmal zwischen uns war, empfindet, wird das tödliche Folgen für ihn haben.
    Ich kann mich nicht länger beherrschen, stoße einen erstickten Schrei aus und dränge mich zwischen den Zelten hervor. In der Ferne zucken Blitze über den Himmel, und Donner grollt.
    Eloise ruft meinen Namen.
    »Lark! Warte!«, schreit Beck.
    Aber ich kann nicht stehen bleiben. Ich muss ihn retten. Ich muss weit weg von ihm sein. Ich renne zum Rand des Rasens und verschwinde zwischen den Bäumen.

32
    Ich bin ein Ungeheuer. Oder zumindest werde ich bald eines sein. Ich weiß, dass Henry und meine Mutter mir alles erklärt haben, aber es von den Leuten zu hören, die mir wichtig sind – und die mich als Monster und als Gefahr betrachten –, lässt es wahr werden.
    Traurigkeit übermannt mich, aber ich kann nicht weinen. Die Zeit dafür ist vorbei. Jetzt ist es an der Zeit, alles in Ordnung zu bringen.
    Wenn mir nur jemand zeigen könnte, wie ich meine Kräfte kontrollieren kann, damit ich nicht völlig Dunkel werden muss – oder dabei zumindest nicht unberechenbar und launisch! Das wäre doch schon etwas wert, nicht wahr? Meine Mutter hat mir geraten, Beck zu lieben – wenn wir keine Bedrohung füreinander darstellen würden, würde sie uns vielleicht zusammenbleiben lassen.
    Aber ich weiß, dass diese Phantasievorstellung niemals Wirklichkeit werden kann. Ich habe meine Lehrer und die anderen gehört. Es ist hoffnungslos.
    Der Vollmond bescheint den Pfad. Glühwürmchen huschen zwischen den tiefhängenden Zweigen hin und her, und das Zirpen der Grillen erfüllt die warme, stickige Luft. Vor mir schimmert der See im Mondschein. Donner grollt, aber die Blitze sind verschwunden.
    Ich lasse den Blick über das Seeufer schweifen, um sicherzugehen, dass es verlassen daliegt. Dieser Platz ist so gut wie jeder andere, um Halt zu machen. Außerdem ist es ja nicht so, dass ich Summer Hills schützende Kuppel verlassen könnte, ohne verfolgt zu werden. Ich sitze hier fest, bis sie mich hinauswerfen.
    Ich gehe am Ufer entlang, bis ich eine passende Stelle finde. Das eisige Wasser führt mich in Versuchung – ich sehne mich danach, Schmerz zu empfinden, etwas Körperliches, um meine Gedanken von dem Aufruhr in meinem Herzen abzulenken –, und so streife ich die Schuhe ab und tauche die Zehen in die sanften Wellen.
    Kleinere Wellen breiten sich kreisförmig um mich herum aus, werden größer und verschlingen mit jedem Ring mehr vom See. Wie passend – alles strebt dieser Tage von mir fort.
    Meine Wahlmöglichkeiten sind begrenzt. Bis jetzt habe ich gehofft und geglaubt, dass alles doch noch ein gutes

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