Eistochter
Aufmerksamkeit auf seinen besten Freund, Maz, und ist bald mit ihm ins Gespräch vertieft. Hinter ihnen laufen auf dem Wandbildschirm die neuesten Nachrichten – noch mehr Prozesse gegen Empfindsame, wie üblich mit einem Bericht über die von der Gesellschaft geplanten Verbesserungen der bestehenden Sicherheitssysteme.
Ich sollte mich auf die Nachrichten konzentrieren, aber meine Gedanken schweifen zu der Art ab, wie Beck mich vorhin angesehen hat, zu seiner enttäuschten Miene. Einen Moment lang habe ich gedacht … Na gut, ich habe gehofft , dass er mich küssen würde.
Klebrige Feuchtigkeit tröpfelt zwischen meinen Fingern hervor. Eine zerquetschte Erdbeere.
Beck neigt den Kopf leicht zu mir. Die Mundwinkel seiner vollen Lippen heben sich, und er zwinkert. Röte droht mir in die Wangen zu steigen, und ich zwinge mich, meine Aufmerksamkeit auf den Bildschirm zu konzentrieren. Vielleicht stellen meine Prüfer mir ja Fragen über die heutigen Landwirtschaftsberichte? Ich muss vorbereitet sein.
Als der Nachrichtensprecher die Namen der Schüler zu verlesen beginnt, die diese Woche Bindungen eingehen sollen, schweift mein Blick durchs Zimmer, und ich bemerke zum ersten Mal, dass meine Mitbewohner begonnen haben, Paare zu bilden. Früher haben immer die Jungen auf einer Seite des Raums gesessen, die Mädchen auf der anderen, nicht wegen der Regeln, sondern weil es uns lieber war.
Ich frage mich, was meine Mitbewohner wohl tun werden, wenn sie nicht den Partner bekommen, den sie wollen. Wie viele Tränen werden in den nächsten Tagen wohl fließen, wenn die Ergebnisse bekanntgegeben werden?
Der Staat lässt uns keine Wahl. Warum auch? Während unserer Schullaufbahn bewerten uns unsere Betreuer zusammen mit unseren Lehrern und ausgewählten Staatsvertretern und wägen sorgfältig ab, welche Zusammenstellung von Paaren dazu beitragen wird, eine stärkere Gesellschaft und den bestmöglichen Nachwuchs zu erzeugen. Wir verbringen unser ganzes Leben damit, zu lernen, mit den übrigen Hausbewohnern auszukommen und zusammenzuarbeiten, damit wir, wenn wir an der Reihe sind, den Staat zu lenken, bereits über unsere jeweiligen Stärken und Schwächen Bescheid wissen. Deshalb wird man auch nur an jemanden aus dem eigenen Haus gebunden.
Ganz selten werden manche Kinder, wie Beck und ich, schon bei ihrer Geburt füreinander bestimmt. Aber wie bei allen anderen Schülern wird der Staat unsere Beziehung erst nach unserem gemeinsamen achtzehnten Geburtstag als rechtskräftig anerkennen, den unsere Familien mit einer aufwändigen Zeremonie feiern werden, die man als Bindung bezeichnet. Danach werden Beck und ich für den Rest unseres Lebens zusammen sein. Nicht dass wir das nicht schon bisher gewesen wären, aber die Bindung wird es offiziell machen.
Nicht zu wissen, wie meine künftige Karriere aussehen wird, ist nervenzehrend genug, aber wenn ich wie meine übrigen Mitbewohner auch noch darauf warten müsste, zu erfahren, wer mein Partner sein wird, dann würde ich … Ach, ich weiß es nicht. Man kann nicht so auf einen guten Partner hinarbeiten, wie man eifrig lernen kann, um einen guten Arbeitsplatz zugewiesen zu bekommen.
Ich sehe auf den Tisch hinab, ordne im Stillen meine Mitbewohner zu Paaren – ein Spiel, das Kyra und ich schon seit unserer Kindheit spielen – und fange Kyras Blick auf. Sie lächelt diabolisch, bevor sie sich wieder auf ihr Essen konzentriert.
Ich starre sie an, bis sie den Kopf hebt, um zu sehen, ob ich sie beobachte. »Was?«, forme ich stumm mit dem Mund.
Kyra schüttelt so unauffällig den Kopf, dass niemand, der nicht gezielt darauf achtet, es bemerken würde. »Sage ich dir später«, bedeutet sie mir stumm und richtet ihre Aufmerksamkeit auf Maz, der gerade demonstriert, wie man sich sechs Pfannkuchen auf einmal in den Mund stopfen kann. Bevor sie den Tisch verlässt, gibt sie ihm einen Kuss auf die Wange.
Mir steht der Mund offen. Ich weiß, dass sie hofft, Maz zugeteilt zu bekommen, aber ihn so offen zu küssen? Was denkt sie sich nur dabei? Wenn sie erwischt werden, können sie unter keinen Umständen mehr ein Paar werden. Der Staat wird sie sofort trennen.
Ich schaue mich um. Niemand sonst scheint etwas bemerkt zu haben, und als ich mich vergewissert habe, dass Bethina nichts gesehen hat, schiebe ich mir eine reife Erdbeere in den Mund. Binnen wenigen Minuten habe ich meinen Teller geleert und bringe ihn zu Bethina, die an der Spüle steht und den Abwasch erledigt.
Sie nimmt mir
Weitere Kostenlose Bücher