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Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
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dass ich mich irre.
    Bethinas Lippen verziehen sich zu einem kleinen Lächeln. »Ich bevorzuge die Bezeichnung ›Hexe‹.«

16
    Kalter Schweiß bedeckt meine Stirn. Ich bin mit einer Empfindsamen in einem geschlossenen Raum allein. Wahrscheinlich in einem Haus voller Empfindsamer. Ich sitze hier auf dem Präsentierteller und kann nirgendwohin fliehen.
    Ich sacke auf dem Sofa zusammen, als hätte ich einen Boxhieb abbekommen. Damit habe ich nun wahrhaftig nicht gerechnet. All die Jahre habe ich umgeben von Empfindsamen gelebt, ohne auch nur das Geringste zu bemerken. Bethina, Kyra, Ryker, Maz … und Beck. Gibt es in meinem Leben irgendjemanden, der bloß ein normaler Mensch ist, wie ich?
    »Wirst du mich jetzt töten?«, frage ich schwach. Ich kann nicht glauben, dass es ein anderes Ende nehmen kann. Die Empfindsamen hassen meine Familie. Und mich.
    »Natürlich nicht.« Bethinas Gesichtsausdruck bleibt weiter sanft und freundlich. »Ich habe dich so lieb, als ob du mein eigenes Kind wärst.«
    Meine Gedanken überschlagen sich. »Aber Empfindsame hassen doch Menschen. Sie wollen uns alle töten.«
    »Die Menschheit auszurotten ist nicht unsere wichtigste Priorität.« Bethina geht zur Tür der Bibliothek und schließt sie. Mir stellen sich die Haare auf den Armen auf. Einen Moment lang frage ich mich, ob es ihr um Privatsphäre geht oder darum, mich einzusperren.
    Sie kommt vorsichtig auf mich zu und sagt: »Es gibt nur noch ein paar Tausend von uns – die Menschen und Kämpfe untereinander haben unsere Zahl schrumpfen lassen. Wir wollen nur unseresgleichen beschützen.«
    »Also hat die Politik des Staats Erfolg gehabt?«, frage ich süffisant.
    Bethina schüttelt den Kopf und setzt sich neben mich auf die Couch. Ich zucke zurück, aber das scheint sie nicht zu bemerken. »Der Staat verfolgt uns in Wirklichkeit gar nicht, Lark.«
    »Oh doch, das tut er. Ich habe die Arbeitstrupps und die Nachrichten gesehen. Die Verfolgung der Empfindsamen hat für den Staat absolute Priorität.« Und es ist der Grund dafür, dass Beck abgeholt wurde, füge ich im Stillen hinzu. Die Erinnerung daran, wie ich, die Wange in den Schnee gepresst, darauf gewartet habe, dass der Schulalarm losgehen würde, nagt an meinem Gehirn. »Mein Armband hat uns doch vor der Anwesenheit der Empfindsamen gewarnt. Deshalb wussten Beck und ich, dass wir uns verstecken mussten.«
    Sie seufzt. »Nein, hat es nicht. Armbänder nehmen nur diejenigen wahr, die vom Staat mit den roten Armbändern gebrandmarkt worden sind, und die meisten vom Staat identifizierten Empfindsamen sind nichts als kleinkriminelle Menschen. Man bezeichnet sie nur als Empfindsame, damit die Öffentlichkeit glaubt, vor der ›Empfindsamenbedrohung‹ sicher zu sein.«
    Mir steht der Mund offen. Maz hat also die Wahrheit gesagt! »Aber mein Armband hat doch gepiepst. Das Sicherheitssystem hat funktioniert«, wende ich ein.
    Bethina rollt die Schultern und dehnt den Nacken. »Ich bin überzeugt, dass Annalise etwas damit zu tun hatte.«
    Ich zucke zusammen, als sie den Namen meiner Schwägerin erwähnt. Sie hat mich in die Falle gelockt und versucht, mich mit einem heftigen Sturm zu töten, aber jetzt sagt Bethina, dass sie mich vor der Anwesenheit der Empfindsamen gewarnt hat. Das ergibt keinen Sinn. Annalise ist selbst empfindsam, das hat Callum bestätigt.
    »Warum sollte der Staat das tun?«, frage ich.
    Bethina nimmt meine Hand in ihre und zeichnet mir Kreise auf den Handrücken. Beruhigung durchströmt mich ausgehend vom Herzen und breitet sich bis in meine Finger und Zehen aus. »Die Gründer mussten das Volk an einen gemeinsamen Feind glauben lassen. Sie brauchten einen Sündenbock, und über uns wussten die Menschen schon Bescheid. Die Geschichte strotzt vor Hexenjagden und -verbrennungen. Es ist Caitlyn nicht schwergefallen, die Öffentlichkeit zu überzeugen.«
    Die Öffentlichkeit wovon zu überzeugen? Von ihrer Bösartigkeit? »Lass mich raten. Die Empfindsamen haben den Langen Winter gar nicht ausgelöst?«
    Bethina schüttelt den Kopf. »Nein, wirklich nicht. Er war Menschenwerk, aber wir haben ihn ausgenutzt. Versteh mich nicht falsch, Dunkelhexen haben im Laufe der Jahre durchaus so manche Katastrophe verursacht, aber an derjenigen, die einen Großteil unserer Abstammungslinien vernichtet hat, waren sie nicht schuld.«
    Ich gerate ins Schwimmen, als ich versuche, aus allem, was sie mir erzählt, schlau zu werden. »Wie habt ihr den Langen Winter

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