Eistochter
ausgenutzt?«
»Wir sorgen dafür, dass immer mehrere von uns hochrangige Staatsfunktionäre sind. Bis vor kurzem bestand eine mehr oder minder friedliche Koexistenz, sowohl zwischen Licht- und Dunkelhexen als auch zwischen Hexen und Menschen.«
Ein langes Schweigen senkt sich herab. Eine Brise streicht durchs offene Fenster über meinen Körper, aber trotz ihrer Wärme erschauere ich und ziehe die Knie an die Brust.
»Es gibt also zwei Gruppen von Hexen? Und ihr kommt nicht miteinander aus?«, frage ich.
»Die gibt es.« Bethina nimmt einen großen Schluck aus einem Glas Wasser und räuspert sich, bevor sie antwortet: »Die Dunkelhexen haben die meisten Lichthexen aus dem Staat verdrängt. Wir haben nur noch unwichtige Ämter inne und verfügen über keinerlei politische Macht. Außerdem hat man damit begonnen, echte Lichthexen festzunehmen.«
Der Raum schwankt leicht, und ich halte mir mit beiden Händen den Kopf. Das Schwindelgefühl legt sich, als ich die Augen schließe.
»Bitte lass mich Beck sehen«, flehe ich. »Bitte, B. Ich habe Angst.« Ich öffne behutsam die Augen, da ich befürchte, dass der Raum sich gleich wieder zu drehen beginnen wird, und mustere ihr Gesicht. Es ist sanft und liebevoll, so wie es immer war, aber ich kann die Furcht in mir einfach nicht abschütteln. »Ich brauche Beck.«
»Nein. Wenn du nicht bereit bist, das hier zu hören, dann bist du auch nicht bereit, ihn zu sehen.« Bethinas Tonfall ist fest und ruhig.
Zorn verdrängt die Furcht, und meine Finger krallen sich in das Kissen auf meinem Schoß. Ich werfe es nach der Tischlampe. Sie wackelt, bevor sie zu Boden stürzt. Das Geräusch, das ertönt, als der dekorative Fuß zerbricht, besänftigt meine Wut – zum Teil, aber nicht völlig. Ich will hier nicht länger als nötig herumsitzen.
»Was willst du von mir, Bethina? Du hast mich mein ganzes Leben lang angelogen, und jetzt erwartest du, dass ich dir glaube?«
Bethina zuckt ein wenig zurück, als hätte mein Ausbruch sie erstaunt. »Ich will, dass du begreifst, dass wir keine Ungeheuer sind. Wir beschäftigen uns mehr mit uns selbst als mit dem, was in der Menschenwelt vor sich geht. Tausende von Jahren haben wir friedlich miteinander und mit den Menschen zusammengelebt, bis Caitlyn Greene und Charles Channing sich eingemischt und alles verdorben haben.«
Ich starre sie verblüfft an.
Bethina rutscht auf ihrem Sessel hin und her. »Tut mir leid, das ist nicht fair. Ehrlich gesagt hat Caitlyn mit Charles’ Hilfe alles in Gang gehalten. Erst nach Charles’ Tod ist es zu einem Zerwürfnis zwischen den beiden Seiten gekommen. Seitdem kämpfen wir gegeneinander.«
»Also führt ihr Krieg?«
»Nicht im eigentlichen Wortsinn. Wir sind schon seit Generationen in ein ewiges Ringen verstrickt.« Sie reibt über die Oberseite ihrer Fingerknöchel.
Ich kenne diese Geste – sie ist nervös. Ich wappne mich.
»Nach dem Langen Winter gab es nur noch zwei wahrhaft mächtige Familien – eine Lichte und eine Dunkle –, daneben noch mehrere weniger bedeutende Abstammungslinien. Wie das Schicksal es wollte, verliebten sich die letzten Kinder dieser beiden Familien ineinander und wurden aneinandergebunden. Aber das war äußerst umstritten. Sie war eine Dunkelhexe, eine Zerstörerin, und er war ein Lichthexer, ein Schöpfer. Niemand hatte so etwas je zuvor getan, und niemand wusste, was für ein Kind aus der Verbindung hervorgehen würde.«
»Ein böses Monster?«, schlage ich vor.
Bethina bedeutet mir mit einer Handbewegung, still zu sein. »Sie hatten zwei Kinder, Zwillinge – einen Jungen und ein Mädchen.«
»Zwillinge?«, frage ich, unsicher, was das Wort bedeutet.
»Kinder, die zur selben Zeit denselben Eltern geboren werden.«
»Wie ein Wurf Kätzchen?«
Bethina nickt. »So in etwa. Vor mehreren hundert Jahren, bevor es die Bevölkerungskontrolle des Staates gab, war das weitverbreitet.«
Befriedigt bedeute ich ihr, dass sie fortfahren kann.
»Die Zwillinge waren, wie ihre Eltern Miles und Lucy Channing, Licht und Dunkel.«
Channing – Becks Familie. Ich beiße die Zähne zusammen und presse mir die Faust an die Lippen, um meinen Schrei zu unterdrücken.
»Brauchst du ein bisschen Zeit?«, fragt Bethinas sanfte Stimme.
Im Herzen wusste ich es. Aber es Bethina aussprechen zu hören, es laut zu hören …
»War der Sohn Charles Channing?«
»Ja.«
»Also ist Beck …«
»Ein extrem mächtiger Lichthexer. Wenn er erwachsen ist, wird er einer der
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