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Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
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behandeln.« Aus der Schublade eines Beistelltisches zieht sie eine Plastiktüte und reicht sie mir. »Sammle die Sauerei ein. Wenn du fertig bist, dann setz dich hin.« Sie deutet auf die Couch.
    »Erstens«, sage ich, »warum darf ich Beck nicht sehen?« Ich lasse mich doch hier nicht von Bethina belehren!
    »Er wartet ab, wie sich alles entwickelt.« Sie blickt mir weiterhin in die Augen.
    »Er will mich nicht sehen?«, frage ich und versuche, es zu verstehen. Wartet Beck ab, um herauszufinden, ob ich ihn immer noch will? Macht er sich Sorgen, dass ich ihm seine Lügen und seine Geheimniskrämerei nicht verzeihen werde? Ich hebe die feuchten Kleider auf und stopfe sie in die Tüte. Dann lasse ich sie von einem Finger baumeln und strecke sie Bethina hin. Als sie sie mir nicht abnimmt, werfe ich die Tüte auf einen Stuhl.
    »Eines nach dem anderen.« Sie zeigt erneut auf die Couch. »Setz dich. Bitte.«
    Ich zucke unter ihrem unverwandten Blick zusammen. Es führt kein Weg daran vorbei: Wenn ich Beck sehen will, muss ich mich hier hinsetzen und ihr zuhören. Lose Kissen lehnen an der Rückenwand des steinharten Sofas, und ich hebe eins auf und drücke es mir fest an die Brust. Bethina setzt sich auf den Sessel mir gegenüber.
    »Erzähl mir von deiner Reise.«
    »Von meiner Reise?«, blaffe ich. »Ich verstehe nicht, inwieweit die eine Rolle spielt!«
    Sie faltet die Hände im Schoß und löst sie wieder voneinander. Es ist eine Geste, die ich sie Hunderte von Malen habe vollführen sehen, wenn sie mit meinen Hausgenossen zu tun hatte. Aber diesmal bohren sich ihre Blicke in mich und niemanden sonst. Aller Zorn und alle Bitterkeit verschwinden. Es ist, als wäre ich von jeglichem Bedürfnis gereinigt, andere anzufahren. Meine Besorgnis ist noch vorhanden, aber ich bin ruhig. Ich kann es mir nicht erklären, und das kommt mir seltsam vor. Eben noch wollte ich aus dem Zimmer stürmen, um Beck zu suchen, aber jetzt bin ich damit zufrieden, hier zu sitzen und abzuwarten.
    »Erzähl mir, was passiert ist«, befiehlt Bethina, diesmal mit mehr Nachdruck.
    Die Ereignisse, nachdem ich unser Haus verlassen hatte, sprudeln aus mir hervor. Ich habe keine Kontrolle darüber – mein Körper zwingt mich, ihr alles zu erzählen. Als ich zu der Stelle komme, an der Maz sich mir angeschlossen hat, halte ich inne.
    »Bethina, wir müssen ihm helfen!« Ich werde laut. »Er ist angeklagt, mich entführt zu haben, das habe ich auf einem Wandbildschirm gesehen – er und die anderen Schüler. Meine Mutter versucht, ihren Ruf zu wahren, und jetzt haben Annalise und Callum ihn verhaftet. Wir müssen etwas unternehmen.«
    Bethina bedeutet mir mit einer Handbewegung, still zu sein. »Es besteht keine Notwendigkeit, Maz zu helfen.«
    »Was sagst du da? Natürlich müssen wir ihm helfen! Du hast nicht gesehen, was Annalise bewirken kann!« Ich blicke sie finster an. Wie kann es sein, dass es ihr gleichgültig ist? Maz ist eines ihrer Pflegekinder. »Er hatte Angst, Bethina.«
    Sie wirft mir einen seltsamen Blick zu, als ob ich irgendetwas verstehen sollte. Ich warte, weil ich mir nicht sicher bin, was ich sagen soll.
    »Maz ist empfindsam. Dein Bruder und seine Frau stellen keine Gefahr für ihn dar.«
    Ich erstarre. »Das ist unmöglich! Du hast nicht gesehen, welche Angst er auf dem Bahnsteig hatte. Und er wollte doch nur …« Ich breche ab.
    »… dass du aufhörst, nach Beck zu suchen?« Bethina zieht die Augenbrauen hoch.
    »Er wollte mir helfen«, flüstere ich und erinnere mich daran, wie er mir gesagt hat, dass ich davonlaufen soll.
    Sie sieht mich verblüfft an. Anscheinend hat sie nicht damit gerechnet, dass Maz mir helfen wollte.
    Ich denke an den Nachmittag im Wohnzimmer zurück, und daran, wie Bethina betont hat, dass Beck nicht im Gefängnis sei. Sie wollte mir nichts verraten, aber sie wusste schon damals, was vorging. Sie hätte mich vor dem Zug, Callum, Annalise und dem eiskalten, erbarmungslosen Schnee retten können. Sie hätte mich geradewegs hierherbringen können, aber das hat sie nicht getan. Stattdessen hat sie versucht mich zu überreden, mich hinzusetzen und zuzuhören, genau wie jetzt.
    Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken.
    Sie kann nur unter einer Voraussetzung Bescheid gewusst haben: dass sie selbst eine von ihnen ist.
    Ich schlucke kräftig, um die Galle aus meiner Kehle zu bekommen, und spiele nervös an meiner Halskette herum. »Du bist eine Empfindsame?«, flüstere ich und hoffe und bete dabei,

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