Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
Vom Netzwerk:
als Unfall eingestuft.«
    Ich schnaube. »Wie praktisch.«
    »Wie ich schon sagte, Malin bekommt, was sie will.«
    Ich denke darüber nach. Mein Vater ist tot, Miles und Charles offensichtlich auch. »Wie ist er gestorben? Hat sie ihm alles Licht ausgesaugt?«
    Mr. Trevern wird blass. »Nein. Wie mein Vater wurde Sebb von unwissenden, verängstigten Hexen getötet, die nicht wussten, was sie taten.«
    Ich gehe langsam auf ihn zu. Mit winzigen Schritten. Mein Verstand mahnt mich, wachsam zu bleiben, aber mein Herz sagt mir, dass das hier Mr. Trevern ist, mein Lieblingslehrer – und anscheinend zugleich mein Onkel. Wenn er mir etwas hätte tun wollen, hätte er längst Gelegenheit dazu gehabt.
    Er neigt den Kopf in meine Richtung. Ich mache einen Sprung rückwärts.
    »Ich weiß, was Sie da tun. Sie versuchen, meine Gefühle zu erspüren.« Ich gehe auf und ab, ab und auf – jeder rasche, unregelmäßige Schritt folgt dem Takt meines Herzschlags.
    »Das kann ich gar nicht. Ich verfüge nicht über diese Fähigkeit.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Er lacht. »Wir sind keine Götter, Lark. Wir haben jeder ein Gebiet, auf dem wir besonders gut sind. Alles andere können wir entweder nur in begrenztem Maße oder gar nicht.« Er blickt in weite Ferne. »Das gilt allerdings nicht für dich und Beck.«
    »Stimmt, denn ich bin in gar nichts gut.«
    Seine Augen funkeln. »Oh, da täuschst du dich. Du verfügst ganz eindeutig über Elementarkräfte, das beweist schon der Sturm, den du verursacht hast. Was die anderen Gebiete betrifft, wissen wir noch nichts Genaues.«
    Der Sturm ist mir nicht neu, aber … »Die anderen Gebiete?«
    Er rasselt die Liste herunter: »Bewegung, Illusion, Verteidigung, Elementarkräfte, mit allen möglichen Unterkategorien.«
    Vier Hauptkategorien mit Untergruppen, und die Hexenwelt glaubt, dass ich über Kräfte in mehr als einer davon verfüge. »Welche vermuten Sie bei mir?«
    Mr. Trevern lächelt mich an. »Warum ziehen wir nicht ein paar Schlüsse?« Es ist, als ob wir wieder in der Schule wären. Er ist der Lehrer, und ich bin die eifrige Schülerin, die es ihm recht machen will. »Hast du bemerkt, dass meine Augen nicht mehr braun sind?« Ich nicke, und er sagt: »Ich bin Illusionist. Ich habe sie maskiert, um ihre echte Farbe vor dir zur verbergen.«
    Ich bleibe abrupt stehen. Der Schatten der Bäume lockt mich an, und ich sperre mich nicht länger dagegen. Ich schlüpfe in seine Kühle, halte aber ungefähr sechs Meter Abstand zu Mr. Trevern.
    »Und meine Mutter? Was ist ihre Begabung? Kann sie Gedanken lesen? Auf das Wetter einwirken? Leute durch Berührungen beeinflussen?«
    Er streckt sich auf dem Boden aus und schweigt eine Weile, wie um seine Gedanken zu sammeln. »Es ist einfacher aufzulisten, was sie nicht kann. Malin ist sehr stark, aber alles kann sie nicht. Sie kann keine Gedanken lesen – das kann keine Hexe; sie kann nicht heilen; sie kann keine schwachen Auren spüren; und sie ist nicht besonders gut auf manchen Gebieten der Bewegung.«
    Mir tun die Füße weh. Ich gebe auf und setze mich im Schneidersitz auf den Boden. »Haben Sie noch Kontakt zu ihr?«
    Mr. Trevern zuckt zusammen und starrt auf seine Hände. »Nein, ich habe Malin nicht mehr gesehen, seit du ein Baby warst. Sie war ganz vernarrt in dich. Und nach dem« – er scheint nach dem richtigen Wort zu suchen – »Unfall deines Vaters war es ihr wichtiger denn je, dich zu beschützen.«
    »Schon gut, Mr. Trevern. Ich weiß, dass mein Vater tot ist.« Mich durchzuckt keine Traurigkeit. Mein Vater ist gestorben, als ich erst ein paar Monate alt war. Ich kenne meine Mutter kaum, aber an meinen Vater habe ich gar keine Erinnerungen.
    Mr. Trevern ringt die Hände. »Ich muss mich entschuldigen. Ich habe gelogen, es tut mir leid.«
    Ich wusste es. Ich hätte meinem ersten Instinkt folgen sollen, statt ihm zu vertrauen. Natürlich arbeitet er für Mutter. Ich springe auf, und der Puls hämmert in meinen Ohren.
    Ich werde ihn verletzen und dann die anderen warnen.
    Ich hebe den Fuß, um ihm ins Gesicht zu treten, ihn außer Gefecht zu setzen. Als ich Anstalten mache, den Fuß herabsausen zu lassen, hebt Mr. Trevern den Blick und sieht mich mit gequälten Augen an. Er zuckt nicht zurück, um sich zu retten, sondern hebt nur den Finger, als wollte er mich um einen Augenblick Aufschub bitten. Ich halte inne. Ich kann diesem Mann vor mir – meinem Lieblingslehrer – nichts zuleide tun. Es wäre falsch, ihn zu verletzen.
    »

Weitere Kostenlose Bücher