Eistochter
ich mich nach einem Sitzplatz um.
Neben mir, am oberen Ende einer sandigen Uferböschung, ist ein Schaukelseil an einen Baum gebunden.
Der Gedanke, über das Wasser hinauszufliegen und dann genau im richtigen Moment loszulassen, gefällt mir. Ich laufe über die freiliegenden Baumwurzeln und schlinge beide Hände um das Seil.
Eins. Zwei. Drei.
Luft strömt an mir vorbei, als ich über den See hinausfliege. Es bleibt keine Zeit zum Zögern. Entweder lasse ich jetzt los, oder ich schwinge zurück und pralle gegen den Baum. Als ich das Gefühl habe, so weit draußen wie nur möglich zu sein, lasse ich das Seil los und falle ins Wasser.
Es ist überhaupt nicht so warm, wie ich erwartet habe. Die Kälte entsetzt mich, und einen Moment lang weiß ich nicht, wo oben und unten ist. Dann setzt der Auftrieb ein, und ich schwimme nach oben.
Meine Lunge leert sich mit einem Keuchen, als ich die Wasseroberfläche durchbreche.
Vom Strand höre ich Klatschen. »Gut gemacht, Lark. Gut gemacht.«
Ich trete Wasser, um mich aufrecht zu halten, und reiße den Kopf zum Strand herum. Mein Lieblingslehrer steht am Ufer und beobachtet mich. »Mr. Trevern! Was machen Sie denn hier?«
Er steht in der gleißenden Sonne und beschirmt sich mit einer Hand die Augen. »Nun, nachdem ihr alle weg wart, hat mich der Staat ›beurlaubt‹.« Seine Finger zeichnen Anführungszeichen um den Ausdruck in die Luft. »Meine Dienste waren nicht länger vonnöten.«
»Sie sind also auch empfindsam?« Nicht dass es mich überrascht, da auch alle anderen in meinem Leben das zu sein scheinen, aber ich muss trotzdem fragen.
»›Hexer‹ ist mir lieber, Lark. Aber, ja.«
Ich schwimme mit langen, regelmäßigen Zügen zurück zum Strand. Wasser tropft mir aus Haaren und Kleidern, als ich ans Ufer steige. Die warme Luft verhindert, dass mir nach dem Schwimmen kalt wird. »Also sind Sie hergekommen? Wann sind Sie eingetroffen?«
»Ich bin bereits kurz vor dir hier angekommen.«
»Oh, stimmt – Sie wissen ja, wie man magisch durch den Raum reist«, sage ich verbittert und lasse meine Niedergeschlagenheit durchklingen. »Ich kann nicht behaupten, dass ich die Kunst schon beherrschen würde.«
»Das schaffst du schon noch, mach dir keine Sorgen.«
Ich verkneife mir eine sarkastische Erwiderung und frage stattdessen: »Wie kommt es, dass Sie mir nicht schon früher Hallo gesagt haben?«
»Ich wollte deinen Unterricht nicht stören.«
Anscheinend weiß er nichts von der wachsenden Hexengruppe, die auch den Jungen mit den traurigen Augen umfasst und meine Unterrichtsstunden täglich beobachtet. Nichts kann einen so sehr ablenken wie Leute, die einen auslachen und verhöhnen, während man versucht, sich zu konzentrieren.
Ich wringe mir die Haare aus und lasse mich in den Sand fallen. Darüber, ihn aus all meinen Rillen wieder herauszubekommen, mache ich mir später Gedanken. »Werden Sie mich denn auch unterrichten?«
»Nein. Ich bin nur in beratender Funktion hier.«
Ich setze mich auf. Unter dem Sand, von dem ich bedeckt bin, wird meine Haut schon rosa. Ich bin fast trocken. »Sie haben Beck in der Schule unterrichtet – in Magie, nicht wahr?« Ich verberge die Eifersucht in meinem Tonfall nicht. Mr. Trevern war mein Lieblingslehrer, und nie hat er mir seine Dienste angetragen.
»Ja.« Mr. Trevern nickt zum Schatten der Bäume hinüber. »Setzen wir uns doch hin, ja?«
Ich folge ihm in die kühlere Luft, dankbar, die sengende Sonne hinter mir zu lassen, und suche mir ein nettes Plätzchen am Boden. »Wen beraten Sie denn? Beck?« Ich klopfe mir den Sand von der nackten Haut. »Nicht mich, hoffe ich. Ich bin hier nicht gerade eine Spitzenschülerin.«
»Du bist nicht glücklich.«
Ich sehe ihm in die Augen. »Und Sie haben keine Angst vor mir.«
Er schenkt mir ein halbes Lächeln, und um seine braunen Augen bilden sich Fältchen. »Du hast mir nie Anlass dazu gegeben.«
Ich wackle mit den geröteten Zehen und mustere sie. Aus dem Augenwinkel ertappe ich Mr. Trevern dabei, wie er mich beobachtet.
Er lächelt und zeigt auf meine Füße. »Deine Mutter hat das immer getan. Du ähnelst ihr sehr.«
Ich wende den Kopf, um Mr. Trevern anzustarren. »Sie kennen meine Mutter?«
Verwirrung steigt in mir auf. Mr. Trevern soll doch angeblich Lichthexer sein – deshalb ist er ja hier –, aber wenn er mit meiner Mutter befreundet ist, ist er vielleicht Dunkel.
Er zögert und lässt die Schultern ein wenig hängen. »Sie ist meine Schwester.«
Meine
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