Eistochter
mir Schritt gehalten hat, werfe ich einen Blick über die Schulter, um festzustellen, ob es ihm gut geht. Ich rechne damit, ihn hinter mir herhinken zu sehen, aber er ist von Hexen umgeben, die ihn berühren. Sich an ihn klammern. Das normalerweise schelmische Funkeln in seinen Augen ist düsterem Ernst gewichen.
Ich knie mich mit zitternden Beinen neben Eloise.
»Sie hat gehalten«, sagt sie und streckt die zitternde Hand Richtung Kuppel aus. Ich beuge mich zu ihr, um sie besser zu verstehen. »Ich habe sie halten lassen.«
Erleichtert, dass sie nicht verletzt ist, ziehe ich ihren Kopf an meine Brust.
Diese kleine Geste scheint eine Flutwelle von Emotionen auszulösen. Eloises Körper wird von Schluchzern geschüttelt, und sie schmiegt das Gesicht enger an mich.
»Sie wollen nur dich«, sprudelt es aus ihr hervor. »Sie brauchen dich.«
Das laut ausgesprochen zu hören betäubt meinen Verstand. Verhärtet ihn. Ich gehöre niemandem, und alle – Dunkel- wie Lichthexen – müssen das begreifen.
Wut keimt in meiner Brust auf, und ich atme tief ein und versuche, mich zu beruhigen. Ich zwinge mich zu tun, was ich, wie ich weiß, tun sollte: helfen.
Eloise hebt das tränennasse Gesicht. »Ich hatte solche Angst, Lark!«
»Pst. Es ist alles gut.«
Sie legt den Kopf wieder an meine Brust. Ich werfe einen Blick zu Beck hinüber. Ich brauche seine Hilfe, um Eloise zu beruhigen.
Ich bin sofort da.
Mir stockt der Atem. Er hat doch sicher nicht gerade eben in Gedanken zu mir gesprochen?
Doch, habe ich.
Der Blick unserer olivgrünen Augen, die einander entsprechen, begegnet sich. So klar wie ein heller Tag sagt er: Sieh nicht so erstaunt drein.
Das ganze dauert vielleicht drei Sekunden, und ich bin mir nicht sicher, ob es tatsächlich geschehen ist.
Und doch löst er sich sofort von seinen Bewunderern und kommt auf uns zu. Beim Gehen zuckt er ein bisschen zusammen. Ich bin mir nicht sicher, was mir mehr Sorgen macht: Beck in meinem Kopf reden zu hören oder zu sehen, dass er anderen zu helfen versucht, während eine große Glasscherbe in seinem Rücken steckt.
Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Eloise. Ganz gleich, wie sehr ich mich bemühe, die beruhigenden Kreise, die ich für Eloise zeichne, wirken nicht. Vielleicht bin ich immer noch zu zornig über Eamons Angriff, um sie richtig zu beruhigen?
Beck versteht. Er beugt sich mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen über uns, und seine Hand nimmt den Platz meiner ein.
Nach einer Minute wird Eloises Schluchzen leiser, und ihr Zittern legt sich. Sie hebt den Kopf und sieht mir in die Augen. »Ich weiß nicht, was mit dir los ist, Lark. Ich sollte Angst vor dir haben, aber die habe ich nicht – du bist ganz und gar nicht furchteinflößend.« Ihr kupferfarbenes Haar hängt ihr ums Gesicht, und ihre geröteten Augen haben jetzt fast die gleiche Farbe. Sie drückt meine Hand. »Du bist es wert, für dich zu kämpfen.«
Ich starre sie mit offenem Mund an und versuche, ihr Geplapper zu begreifen. Ich kann nur daran denken, dass ich umgeben von Chaos und Verwüstung auf einer Wiese sitze und mein erster Gedanke nicht war, anderen zu helfen, sondern Eamon wehzutun und Rache zu nehmen.
Ich sollte nicht so denken. Ich sollte meine Unterstützung anbieten. Ich sollte versuchen zu helfen.
Nur dass ich eine Dunkelhexe bin. Eine Zerstörerin.
Es ist wirklich alles meine Schuld.
25
Die äußerlichen Reparaturen in Summer Hill sind in weniger als zwei Tagen abgeschlossen. Am Ende des ersten Tages ist das Dach wiederhergestellt, und neue Fenster sind eingesetzt. Bis zum folgenden Abend ist alles wieder in bester Ordnung. Das hohe Gras wogt in der Brise, und die Veranda sieht so gut wie neu aus.
Aber die Reparaturen an mir? Mich kann man nicht heil machen.
Ich bin Dunkel. Böse. Wie Annalise und meine Mutter.
Staub wirbelt um mich herum, als ich den Pfad zum See entlanggehe. Die Channings gestehen mir keine Zeit allein zu, also stehle ich sie mir. Ich lasse das Mittagessen aus. Ich muss Abstand gewinnen und meine Gedanken ordnen.
Hoch über mir kreischen Vögel und warnen so vor meiner Anwesenheit.
Schlaue Vögel. Sogar sie haben Angst vor mir.
Der glasklare See schimmert am Ende des Wegs, und ich gehe darauf zu, bis ich am Strand stehe. Jetzt ist alles still – noch nicht einmal die Vögel rufen mehr. Niemand versucht, mich zu finden.
Ich bleibe unter den Bäumen stehen und streife die Schuhe ab. Während meine Zehen im kühlen Sand versinken, sehe
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