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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Manteltasche.
    Eschenbach, der selbst nie eine Waffe trug, realisierte die Bewegung zu spät. Er hatte Meiendörfer nicht mehr daran hindern können. Rasch wich er zurück. Was Meiendörfer in seiner Hand hielt, sah im Dämmerlicht der Parkbeleuchtung aus wie eine Pistole mit einer Spritze.
    »Bleiben Sie doch stehen …« Der Biochemiker kam auf ihn zu.
    »Halt!« Der Kommissar stand jetzt nahe dem Ufer und starrte auf das Ding, das Meiendörfer mit halb erhobener Hand auf ihn richtete. Eine Betäubungspistole, schoss es ihm durch den Kopf. Wieder ging er rückwärts, dann stolperte er und verlor das Gleichgewicht.
    Während er über die kniehohe Mauer in die Limmat stürzte und ins eiskalte Wasser eintauchte, sah er das Bild eines Wildhüters vor seinem inneren Auge, der eine Ampulle auf einen Löwen feuerte. Er sah, wie der König der Tiere langsamer wurde, einknickte und scheinbar leblos auf dem Boden liegen blieb. Es war eine Szene aus dem ersten Kinofilm, den er gesehen hatte, mit seiner Großmutter, damals, als er fünf oder sechs Jahre alt war. Das Bild des einbrechenden Löwen und die Frage nach dem Tod hatten ihn lange beschäftigt.
    Meiendörfer schrie etwas zu ihm hinunter, das Eschenbach nicht verstehen konnte.
    Die eisige Kälte des Wassers umklammerte ihn wie ein Schraubstock. Mit ein paar kräftigen Stößen schwamm er in die Mitte des Flusses, nur weg, dachte er. Dann ließ er sich treiben. Er spürte einen kalten Wind im Gesicht und die Haare, die sich wie ein Gefrierpack über seine Stirn gelegt hatten. Eschenbach überlegte, wie lange er es im Wasser aushalten würde. Erfrieren war sicher kein schöner Tod. Erst recht nicht, wenn man gleichzeitig ertrank. Plötzlich kam ihm die Leiche in den Sinn, die sie weiter unten, bei der Badi Letten, aus dem Fluss gezogen hatten. Aus diesem Fluss. Genau so konnte es gewesen sein, eine Injektion und dann ein Sturz in die Limmat, vielleicht sogar dort, wo er selbst hineingefallen war.
    Eschenbach schnappte nach Luft. Er zog Mantel und Veston aus, machte daraus ein Bündel und schob es sich unter die Brust. Es gab ihm etwas Auftrieb. Später streifte er auch noch die Schuhe ab.
    Wie ein kaltes Stück Holz trieb er im Wasser.
    Ein älteres Paar, das entlang dem Limmatquai spazierte, winkte. Der Kommissar schrie. Aber nichts geschah. Plötzlich hatte er Panik, dass er das Ufer nicht mehr rechtzeitig erreichen würde. Er sprach sich Mut zu und fühlte, wie ihm die Kälte den Brustkorb zuschnürte. Er machte Schwimmbewegungen. Dann kam der Krampf im Bein. Ein Schmerz, den er vom Laufen kannte. Im eisigen Wasser war er kaum zu ertragen. Er drehte sich auf den Rücken, doch es half nichts. Bis in die Hüfte stach es. Während er versuchte, das Bein zu lockern, verkrampfte sich nun auch das zweite. Eschenbach unterdrückte ein Stöhnen; er musste raus. Nachdem er sich zurück auf den Bauch gedreht hatte, zog er das Kleiderbündel wieder unter Kinn und Brust. Verzweifelt ruderte er Richtung Ufer. Er konnte nur noch die Arme einsetzen. Zum Glück sah er in der Ferne einen Steg, dort würde er aus dem Wasser klettern. Er musste aber näher heran und das war nicht so einfach. Ohne Beine! Kräftig zog er mit Armen und Händen durchs Wasser, den Steg mit den blau-weißen Pfosten immer im Auge. Auf den letzten Metern rutschte ihm das Kleiderbündel weg.
    Eschenbach fluchte. Wie ein toter Körper zogen Mantel und Veston gegen die Mitte des Stroms. Jetzt nur nicht ablenken lassen, dachte er und fixierte mit den Augen die Leiter zum Steg. Bald war sie in Griffnähe. Noch zwei kräftige Züge.
    Der Kommissar klammerte sich an die Eisenrohre und schnaubte. Mit den Füßen stand er auf den glitschigen Sprossen im Wasser. Er spürte seine Zehen nicht mehr. Dafür hämmerte das Herz im Kopf und sein Brustkorb drohte zu platzen. Einen Moment stand er da, halb im Wasser, halb draußen, und versuchte seinen schnellen, keuchenden Atem zu kontrollieren. Nur langsam, dachte er. Es ist alles okay.
    Erst nach einer Weile, als der Kommissar sich wieder unter Kontrolle hatte, rief er um Hilfe.

38
    Es war ein Insulin-Pen gewesen. Keine Todesspritze und auch kein Gerät, mit dem man auf Löwen schoss. Nur ein gottverdammter Insulin-Pen. Meiendörfer hatte ihn nochmals gezeigt und erklärt, dass es sich um ein Schweizer Produkt von Ypsomed handele, aus Burgdorf bei Bern. Er hatte geklungen, als wolle er ihm nachträglich die Angst davor nehmen.
    Ein paar Minuten nachdem Eschenbach aus der

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