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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Kommissar am nächsten Morgen auf dem Weg zur Gondel, die hinauf zum Hoch-Ybrig führte, noch sein Eigen nennen konnte, waren lange Unterhosen, Wollsocken und ein brauner Strickpulli mit Zopfmuster. Der Rest war von Ybrig-Sport: gemietet, gekauft und geliehen. »Kein Mensch fährt mit Jeans und Lederjacke«, hatte Juliet gesagt und bei ihrer Freundin ein zustimmendes Nicken eingefordert. Fiona war eine karge Schönheit, etwa gleich alt wie Juliet, mit halblangen, dunklen Haaren. Eschenbach zählte sie zu jenem Frauentyp, der mit fünfzig kurze, graue Haare hatte und der, ohne sich übermäßig zu pflegen, immer noch verdammt gut aussah.
    Die beiden hatten ihn von Kopf bis Fuß neu ausgestattet: Carvingbretter, Stöcke, Schuhe und Helm sowie eine Hose mit Teflonbeschichtung und eine Daunenjacke. Dazu Handschuhe (für Temperaturen bis minus neununddreißig Grad Celsius) und ein schwarzes Halstuch mit kleinen roten Herzchen. Letzteres war ein Geschenk von Juliet. Sie hatte es ihm mit einem dicken Kuss um den Hals gebunden.
    »Sir Hillary hatte nicht die Hälfte von all dem Zeugs, als er den Mount Everest bestieg«, maulte Eschenbach. Er zwängte sich durch das Drehkreuz an der Kasse und folgte mit Roboterbewegungen den beiden Frauen zur Einsteigeplattform.
    Die riesige Gondel bot Platz für achtzig Personen. Sie war nur zur Hälfte gefüllt, als es mit einem Ruck in die Höhe ging.
    »Samstagmorgen ist immer wenig los«, sagte Juliet. »Die Schweizer rennen zuerst in die Migros und kaufen fürs Wochenende ein. Dann wird noch der Wagen gewaschen. Bis um drei hat man richtig Platz auf der Piste.«
    Bei einem der Masten schaukelte es heftig. Eschenbach spürte die Leere im Magen und war froh, dass er noch nicht gefrühstückt hatte. Als die Gondel oben ankam, war der Kommissar bachnass unter seiner neuen Daunenjacke. Und als er draußen im Wind stand, fror er.
    »Du siehst gut aus«, sagte Juliet und strich ihm Sonnencreme auf die Nase.
    »Ihr könnt ja schon mal fahren.« Der Kommissar blinzelte in Richtung Sonnenterrasse. »Die ersten Kurven sind bekanntlich die besten, da falle ich nur zur Last …«
    »Kommt nicht infrage«, sagte sie.
    Eschenbach steckte die Skier in einen Schneehügel, ging auf Juliet zu und küsste sie auf den Mund. »Doch«, murmelte er. »Der Aufstieg hat mich völlig erschöpft.«
    »Wir sind nicht aufgestiegen, wir sind hochgefahren …«
    »Egal.«
    »Und so alt, wie du tust, bist du gar nicht.«
    »Die Ausrüstung täuscht.«
    »Das sehe ich anders …« Mit vielsagendem Lächeln zog sie die Skibrille über die Augen.
    »Du bist gerontophil, mein Engel.«
    Fiona, die neben Juliet kauerte und an der Bindung ihres Snowboards nestelte, kicherte.
    »Jetzt fahrt endlich los«, sagte er. »Ich warte oben auf der Terrasse und trinke mir Mut an.« Ohne den Blick von Juliet zu lassen, ging der Kommissar ein paar Schritte in Richtung Restaurant.
    Mit einer Kusshand und einem Winken rutschten die Frauen in den Hang hinein. Mit zunehmendem Tempo fuhren sie, die ganze Breite der Piste ausnützend, in langen, ausgezogenen Schwüngen talwärts.
    Die Jugend wird verschwendet an die Jungen, dachte Eschenbach, während er ihnen nachsah. Nach einer Weile stapfte er die letzten Meter hoch zur Terrasse.
    Das Panorama war umwerfend. Verschneite Hügel und Bergketten ragten aus einem Meer von Nebel, streckten sich gierig ins wolkenlose Blau. Es war, als füttere sie der Himmel. Eschenbach spürte die Wärme der ersten Sonnenstrahlen im Gesicht und bestellte eine Sennenrösti und eine kleine Flasche Veltliner.
    Seit dem Brief von Schwinn hatte er immer wieder auf sein Handy geschaut. Kathrin hatte es im Spital sofort bemerkt und gefragt, wie seine Neue denn hieße. »Geschäftlich«, hatte er gesagt. »Ha, ha« war ihre Antwort gewesen. Dass sie ihm kein Wort glaubte, zeigten die drei SMS, die ihm seine Tochter seither geschrieben hatte. Jetzt, zwischen Himmel und Erde, auf der Terrasse eines Restaurants mit dem Namen »Sternen«, würde er sie beantworten.
    Nach einer knappen Stunde kamen Juliet und Fiona; durstig und hungrig und mit wilden Geschichten über Spins , Tricks und Jumps . Es folgten Pommes frites neben Bratwürsten mit dunkler Zwiebelsauce; dazu wurden drei Brotkörbli hingestellt und zwei Flaschen Dôle entkorkt.
    »Jetzt hast du bald keine Ausrede mehr«, sagte Juliet und schmunzelte. »Du wirst sehen, mit diesen neuen Latten geht alles wie von selbst …«
    »Ja, sicher«, murmelte der Kommissar

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