Eisvampire
spurlos in der Nähe von Bunker’s Hope, nur achtzig Kilometer entfernt. Zu der Zeit war das Städtchen nur eine winzige, verlassene Goldgräbersiedlung, und es dauerte einige Jahre, bis die Nachricht von dem unerklärlichen Zwischenfall die Behörden erreichte.
Nun, den in Alaska ansässigen Amerikanern galt ein Menschenleben nicht viel und schon gar nicht, wenn es sich um Eskimos handelte, also wurde eine Untersuchung nur halbherzig betrieben und verlief schließlich im Sande. Zumal die Untersuchung nur die phantastischen Berichte einiger verstörter Eskimos zutage brachte, die etwas von eisigen Ungeheuern und von Konin-itya-akki erzählten.
Fünfundzwanzig Jahre später geschah wieder eine Katastrophe. Ein nordamerikanischer Erzkonzern hatte eine zwanzigköpfige Expedition ausgerüstet, die überprüfen sollte, ob die Goldminen von Bunker’s Hope vielleicht doch noch genug Reserven besaßen, daß sich eine Ausbeutung lohnte. Die zwanzig Männer und Frauen richteten sich in Bunker’s Hope – das noch immer verlassen war und zusehends zerfiel – häuslich ein und machten sich an die Arbeit. Kurz vor ihrer Abreise schickten sie dem Konzernrepräsentanten in Juneau ein Telegramm, in dem von unheimlichen Ereignissen die Rede war, aber nichts Genaues mitgeteilt wurde. Danach hat man nichts mehr von ihnen gehört.
Wiederum fünfundzwanzig Jahre später – nach dem Zweiten Weltkrieg – strömten eine Menge Einwanderer und Glücksritter nach Alaska. Eine Anzahl von ihnen ließ sich in Bunker’s Hope nieder und baute die Stadt wieder auf. Die Goldsucherei wurde von der Pelzjägerei verdrängt. Aber es war auch die Zeit des Kalten Krieges mit der Sowjetunion, und die amerikanische Armee stationierte Streitkräfte in Alaska, die die im Aufbau befindlichen Radar- und elektronischen Überwachungsstationen beschützen sollten.
Ein Trupp GIs verbrachte seinen Urlaub in Bunker’s Hope. Es waren fünfzig Soldaten, die für drei Tage frei bekommen hatten – nicht genug, um nach Fairbanks oder Juneau zu fahren, aber zuviel, um im Militärlager zu bleiben.
In Bunker’s Hope vernahmen sie auch die Geschichten, die die Eskimos sich vom Rumsfield-Plateau erzählten. Sie beschlossen, das Geheimnis zu erkunden. Niemand hat sie jemals wieder gesehen. Die offizielle Erklärung sprach von einem Schneesturm, aber niemand glaubte so recht daran. Und die Einheimischen wußten es ohnehin besser.«
Enver Chroschka befeuchtete seine trocken gewordenen Lippen mit dem herben Weißwein. Seine Augen suchten die William Heartleys.
»Und jetzt, Bill, sind wieder fünfundzwanzig Jahre verflossen und ein harter Winter steht bevor. Es besteht die Möglichkeit, daß Bunker’s Hope durch starke Schneefälle von der Außenwelt abgeschnitten wird. Was das bedeutet, brauche ich dir wohl nicht mehr zu erklären. Es ist wieder die Zeit der Eisvampire.«
Professor Heartley starrte mit zusammengekniffenen Lippen die Standuhr an der Wand an.
»Was sollen wir unternehmen?« fragte er. »Die Behörden, die Polizei oder die Armee alarmieren? Die Zeitungen anrufen?«
Chroschka verneinte. »Das wäre vergeblich. Niemand würde die Geschichte glauben. Außerdem – die Alyeska könnte dies als Geschäftsschädigung auffassen und uns verklagen oder auf andere, gewaltsame Weise mundtot machen. Dringen diese Dinge an die Öffentlichkeit, werden nicht mehr viele bereit sein, für die Ölfirma in der Wildnis zu arbeiten. Der Konzern würde sehr viel Geld verlieren. Nein, Bill, Publizität würde uns und Bunker’s Hope eher schaden als nützen. Ich hatte etwas anderes vor.«
»Und was ist das?«
»Wir beide – du und ich – werden morgen früh nach Bunker’s Hope aufbrechen, um die Leute zu warnen und um die Verteidigung der Stadt zu organisieren.
Und vielleicht gelingt es uns auch, die Gefahr ein für allemal zu beseitigen. Bist du einverstanden, Bill?«
Heartley überlegte nur kurz, dann nickte er energisch.
»In Ordnung, Enver. Ich will alles tun, was in meinen Kräften steht.«
Chroschka entspannte sich. »Danke, Bill. Ich hatte auf eine positive Antwort gehofft.«
Der Professor rieb sich die Augen. »Aber mit welchen Mitteln sollen wir gegen die Vampire vorgehen? Nur Feuer, Wärme kann sie vernichten, soweit ich das von Patrick weiß. Aber wir können nicht ganz Bunker’s Hope anzünden.«
Enver Chroschka lächelte. »Keine Sorge, Bill. Ich habe mir über dieses Problem bereits Gedanken gemacht, und ich glaube auch eine Lösung gefunden zu
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