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Eisweihnacht

Eisweihnacht

Titel: Eisweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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haben ja immer schon woanders bessere Preise bekommen. Aber fürs höherwertige Sortiment haben sie eben unsere teure Ware bevorzugt. Ich Idiot habe mich also gefragt, ob die Leut alle kein Geld mehr in der Tasche haben oder keinen Geschmack mehr, dass jetzt auch die besseren Geschäfte nur noch billige Ware holen. Diese sauren, faserigen Orangen aus der Lombardei, wer will die denn, wenn er unsere süßen, aromatischen Früchte aus Sizilien haben kann? Aber gut, das weißt du ja alles. Nun ja, und dieses Jahr waren die Bestellungen wieder so mau, wie du ebenfalls weißt. Gute Ware haben wir verspätet und zum Spottpreis an die gewöhnlichen Läden abstoßen müssen und sind nicht einmal alles losgeworden. Und dann die Sache mit den Blutorangen. Das ist außergewöhnlich. Vierzig Jahre kenne ich das Geschäft und habe so etwas noch nicht erlebt. Nun hab ich mir also gedacht, diese Entwicklung geschieht nicht ohne Grund, da muss was dahinterstecken. Vor drei Wochen habe ich begonnen nachzuforschen. Hab mir den erstbesten Straßenjungen genommen und ihn für mich als Spion eingespannt. Hab ihn zu dreien unserer regulären Frankfurter Kunden geschickt, die nichts mehr bestellt haben, und hab ihn dort Orangen und getrocknete Feigen einkaufen lassen. Und was glaubst du: die Orangen, saftig, süß und aromatisch, wie frisch vom Baum. Die Feigen: große, schöne, dunkle Früchte, noch weich und ein Genuss. Gerade so wie unsere Ware. Hab ich also zwei von den Kaufleuten persönlich aufgesucht und sie gefragt: Woher bezieht ihr denn eure Qualitätsware jetzt eigentlich? Von Riemenschneider, hieß es.»
    Hier hielt der Vater inne und schnaufte neuerlich. Sein Blick bekam etwas Starres. Er sog fest an seiner Zigarre.
    «Riemenschneider hat doch früher gar keine Südfrüchte verkauft, oder?», fragte Elise.
    Der Vater blies Rauch aus. «Nein, früher nicht. Aber heute, Elise. Aber heute. Und was meinst du, was sich beim Riemenschneider seit letztem Jahr geändert hat?»
    Der Ton des Kaufmanns Best war drohend geworden. Jetzt schob er mit schrammendem Geräusch den Schreibsessel zur Seite, erhob sich ruckartig und begann, mit der Zigarre in der Hand erregt in dem winzigen Zimmer umherzugehen. Elise spürte eine diffuse Angst.
    «Ich weiß es nicht, Papa. Was ist es denn?»
    «Riemenschneider hat seit vorletztem Sommer einen neuen Geschäftsführer und Prokuristen. Und rate mal, wer das ist, Elise. Rate mal. Ich hab es dir nur aus Rücksichtnahme bisher verschwiegen.»
    Elise wurde erst heiß und dann ganz kalt. Nein, es konnte nicht Carl sein. Der war doch nur Lagerarbeiter gewesen. Aber die Kleider, die er am Nachmittag getragen hatte … Ihr brach der Schweiß aus.
    «Ich habe keine Ahnung, Papa.»
    «Dann klär ich dich jetzt auf. Der neue Prokurist ist ein gewisser Carl Wagner. Du wirst dich ja wohl erinnern, um welchen miesen Kerl es sich dabei handelt.»
    «Ja, Papa», sagte Elise wohl oder übel. Ach, musste das sein? Sie fühlte sich verletzt und schlecht und hilflos. Aber sie konnte doch nichts dafür, oder?
    «Dieser … dieser Mensch entstammt ja eigentlich den niedersten Schichten», fuhr der Vater fort. «Inzwischen hat er wohl bei der Polytechnischen Gesellschaft in einem Abendkurs Buchhaltung gelernt. Alles aus Rachsucht. Er hat sich zum Ziel gesetzt, mich zu vernichten, so viel ist klar. Er kennt meine Lieferanten, und er kennt meine Kunden, obwohl ich wirklich sagen muss, ich bin erstaunt, dass er die Adressen so genau im Kopfe hatte. Italienisch hat er auch ein bissel gelernt. Und natürlich kennt er meine Preise. Wagner hat nun für Riemenschneider genau meine Waren bestellt und meine Preise immer stark unterboten. Das lohnt sich dann kaum noch, daran verdient Riemenschneider nicht. Aber Riemenschneider braucht ja auch die Früchte gar nicht im Angebot, um zu leben, nicht wahr? Es sind wir, deren Existenz davon abhängt. Sind wir erst bankrott, hat Riemenschneider das Monopol auf den Handel mit sizilianischen Früchten und kann die Preise hochsetzen, wie er will. Eine perfide Strategie. Gegen jede Kaufmannsehre. Aber für Ehre und Anstand hat sich dieser Wagner ja noch nie interessiert. Der Verbrecher. Der Halunke. Und seine Strategie geht auf. Er wird uns zerstören. Siehst du, Elise, das haben wir nun von deiner mädchenhaften Dummheit und Unvernunft.»
    Elise bekam schwer Luft. Welch furchtbare Lage war das. Fast wollte sie ihrem Vater entgegnen: Papa, du bist schuld, du hättest ihn nicht entlassen

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