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Eisweihnacht

Eisweihnacht

Titel: Eisweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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gewiss kein Zeichen vom Himmel, wenn jemand Maria heißt wie jede zweite deutsche Frau.»
    Elise wartete einen Moment, bis er ganz still vor ihr stand. Dann sagte sie: «Vielleicht stimmt ja, was du sagst, Papa. Aber wenn es denn wirklich keinen Gott geben sollte, hätten wir dann nicht erst recht die Pflicht, unserem Nächsten zu helfen? Dann sind nämlich wir ganz allein verantwortlich für alles Gute und alles Böse in der Welt. Dann können wir es auf niemanden sonst schieben.»
    Der Kaufmann Best stierte seine Tochter abwesend an.
    «Tu, was du willst», sagte er schließlich düster. «Unsere Lage ist so schlecht, da macht es schon keinen Unterschied mehr, wenn du das Geld mit vollen Händen zum Fenster rauswirfst.»
    Damit drehte er sich um und zog ab. Die Tante, die sich das alles angehört hatte, warf Elise einen Blick zu, und dann nahm sie die Treppe nach oben. Elise blieb in der engen Diele zurück. Sie war tief erschrocken.
Unsere Lage ist so schlecht, da macht es schon keinen Unterschied mehr
– was wollte der Vater damit sagen? Die Geschäfte waren dieses Jahr in der Tat wieder nicht gut gegangen. Es gab neuerdings eine scharfe Konkurrenz in der Stadt, die einige ihrer eigenen Waren ins Programm genommen hatte und ihre Preise immer wieder unterbot. Am schlimmsten war es bei den Blutorangen vom Ätna. Der Kaufmann Best war stets der einzige Grossist gewesen, der in Frankfurt Blutorangen führte. Nun gab es die schönen Früchte anscheinend überall, zu ihrem Einkaufspreis. Nichts von ihrer teuren sizilianischen Ware waren sie folglich losgeworden, zumal der Vater sich weigerte, unter Wert zu verkaufen und die Preise noch weiter zu verderben. (Seit Wochen aßen sie jetzt jeden Morgen zum Frühstück ihre eigenen Blutorangen, und jeden Abend gab es Saft.) Dazu kam diesen Winter die Kälte, die in mehrerer Hinsicht schlecht fürs Geschäft war, angefangen bei den Schäden im Lager. Aber diese Schwierigkeiten würde das Geschäft doch durchstehen, oder? Drei Generationen schon gab es das Handelshaus Best. Da hatte man mehr als eine Konjunkturflaute überlebt.
    Elise schüttelte den Kopf. Das konnte sie jetzt nicht klären. Sie musste den Vater später darauf ansprechen. Erst einmal war es viel dringlicher, einen Arzt ins Haus zu bekommen.

J osua ging es gar nicht gut. Er fror immer noch, oder es war ihm heiß, und alles tat weh, und außerdem hatte er Husten. Trotzdem kam er jetzt zum ersten Mal seit zwei Wochen ein wenig zur Ruhe. Er hatte verstanden, dass seine Mutter wirklich tot war und die Zukunft ganz ungewiss. Aber nun gab es wenigstens diese zwei Frauen, die sich so lieb um ihn kümmerten. Vor allem bei der, die er Tante Elise nennen sollte, fühlte er sich ganz geborgen. Und die Marie, die war wie eine große Schwester oder Cousine. Die beiden würden bestimmt auf ihn aufpassen und zusehen, dass ihm nichts Schlimmes geschah. Oder?
    Doch er träumte wieder schlecht. Er war in einer sehr dunklen, schmalen Straße, und es war kalt, und jemand riss fest an seiner Hand. Erst wehrte er sich, und dann ließ er es zu; hoch in die Luft gen Himmel wurde er gerissen, und dann plötzlich, als er schon weit oben war, da ließ die Hand ihn los, und er fiel.

N achdem der Arzt wieder fort war, hatte der kleine Josua ein ganzes Glas gewärmten Blutorangensaft mit Honig ausgetrunken, was Elise sehr beruhigte. Als der Junge danach fieberwarm, aber friedlich wieder eingeschlafen war, verließ sie das Zimmer und traf im Treppenhaus prompt auf Tante Lotte, die anscheinend auf sie gelauert hatte. Die Tante raunte ihr zu, der Vater wolle sie noch einmal sprechen. Im Rauchzimmer.
    Da saß Ernst Wolfgang Best über einem aufgeschlagenen Rechnungsbuch hinterm klobigen Schreibtisch, und das Licht der Öllampe am Rand des Tisches ließ seine Nase noch länger und krummer wirken und warf Schatten über sein Gesicht, die ihn älter machten, als er war. Tief schienen die Augen in den Höhlen zu liegen, und darunter hatten sich schwarze Halbmonde eingegraben.
    Elise ahnte Übles. Beklommen schloss sie die Tür hinter sich. «Na», begrüßte sie der Vater, «du hast ja den Nachmittag und Abend über alles gegeben, dir Ablenkung an den Hals zu schaffen. Bloß, damit du dich nicht mit dem befassen musst, was ansteht. Ich rede von Gehling. Bist du zu irgendeinem Schluss gekommen? Lass mich raten: nein.»
    Elise setzte sich, weil sie sich im Stehen wie ein ungezogenes Kind fühlte, das eine Strafpredigt bekommt.
    «Papa, übertreib

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