Eiswein (German Edition)
und das können wir auch aus ihren Mails an Renate schließen, egal, was da sonst noch drin stand. Das bedeutet: Julia akzeptierte ihn, wie er war, was er machte, wer er war. Sie kannte ihn, wusste, wo seine Schwächen waren, wo seine Stärken. Sie mochte seine erotischen Fantasien, lebte ihre eigenen mit ihm aus.«
Schwarz runzelte die Stirn.
»Und das mit den Drogen?«
»Das mit den Drogen sind Mutmaßungen, herrgottnochmal, nichts sonst! Mir geht das langsam auf den Geist, verstehst du? Bislang wissen wir gar nichts darüber, und es gibt weder Grund noch Möglichkeit, das eindeutig festzustellen.« Braunagel war aufgestanden und zum Fenster gegangen, das er wieder schloss. Er fröstelte, und das kam nicht nur von der nasskalten Luft, die sich inzwischen auch im Büro ausgebreitet hatte. »Fakt ist, dass sich Christoph von ihr in die Enge getrieben fühlte, als sie im Gut aufkreuzte.«
»Wieso? Der Typ liebte sie doch deiner Meinung nach.«
»Möglich. Auf jeden Fall würde er doch aber den einzigen Menschen nicht verlieren wollen, der ihn so annahm, wie er war!« Er kratzte sich nachdenklich am Kinn.
»Von mir aus«, brummte Schwarz vor sich hin, Braunagels Tonfall imitierend. Er hatte sich auf der Kante seines Schreibtisches niedergelassen und schaute ratlos zu seinem Kollegen hinüber.
Braunagel entspannte sich. »Er hat sie nicht ermordet.«
»Du kannst manchmal ganz schön stur sein.«
»Ich kann nicht stur sein, ich bin stur.«
»Auch recht. Aber wer hat sie deiner Meinung nach umgebracht und warum?«, insistierte Schwarz. »Dass das passiert ist, steht ja wohl außer Zweifel.«
»Ich weiß es nicht.« Braunagel schaute seinen Kollegen forschend an, der jedoch nur abwartend dasaß und ihm zuhörte.
»Der Mörder kannte sie und wusste, dass sie nackt im Wald herumlief und wehrlos war. Ist ihr nachgelaufen und hat sie von hinten erschlagen, bevor sie überhaupt wusste, was ihr geschah.«
»Weil?«
»Hm.«
»Karl?«, überlegte Schwarz laut. »Es passte ihm nicht, dass Julia Neubauer wieder mit einem Mann zusammen war, und ihn erneut stehen ließ. Das ist doch offensichtlich.«
»Das könnte ein Grund dafür sein, warum ihr Gesicht so zerstört wurde: Sie sollte niemandem mehr gefallen, nicht einmal im Tod. Aber der Karl hat ein Alibi, das wissen wir doch.« Braunagel verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust und sah Schwarz mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Schön. Wer also?«
»Orthlers Schwester beispielsweise.« Annemarie Zeller stand in der Tür.
Sie setzte sich auf Braunagels Stuhl, nachdem sie ihn mit einem Wink von dort verscheucht hatte.
»Die Schwester, natürlich.« Braunagel schüttelte missbilligend den Kopf. »Darauf wären wir ja überhaupt nicht gekommen!«
»Weil Sie sich bislang überhaupt nicht um diese Frau gekümmert haben, Herr Braunagel!«
»Warum hätte ich das tun sollen, Frau Zeller?«
»Seine Schwester.« Schwarz schaute ungläubig von Annemarie Zeller zu Braunagel, zwischen denen die Luft zu brennen schien. »Und was könnte sie für ein Motiv gehabt haben?«
»Wenn die Neubauer ihren Bruder wegen der Drogen auffliegen ließ, wäre die Aussicht auf eine neuerliche Finanzspritze für sie sehr in Frage gestellt gewesen.«
»Entschuldigung«, mischte sich Braunagel ein, der stirnrunzelnd zugehört hatte. Kannte die Zeller in diesem Fall noch ein anderes Thema als Drogen? »Können Sie mir das bitte mal erklären?«
Die Kommissarin bedachte ihn mit einem grimmigen Blick.
»Orthler hat nach dem Tod seines Vaters das Gut übernommen. Er hat seine jüngere Schwester ausbezahlt, wie wir wissen. Sie hatte damals gerade geheiratet, wollte zu dem Zeitpunkt bauen und konnte das Geld gut brauchen. Inzwischen läuft das Gut aber besser als erwartet, und seine Schwester wollte eventuell noch etwas von diesem Kuchen abhaben.«
»Wie wir wissen?« Braunagel verlor fast die Beherrschung. »Wer ist ‚wir’?«
»Nun, wir eben: ich und Dr. Schiller, seines Zeichens Staatsanwalt.«
Es kostete Braunagel eine Menge Energie, nicht auf diese Frau loszugehen und sie zu schütteln. Warum hatte sie sich schon wieder eingemischt? »Wieso reiten Sie eigentlich immer noch auf dem Drogenthema rum? Ich sehe weit und breit keinen Grund zur Annahme, dass da was dran ist, und auch jetzt kein Motiv für einen Mord!«, fuhr Braunagel schließlich auf. Er hatte beschlossen, dieses Mal nicht auf die Eigenmächtigkeiten seiner Chefin einzugehen.
»Nicht?« Ein spöttisches
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