Eiswein (German Edition)
uns bislang irgendwie verdächtig scheinen. Außer diesem Orthler. Scheiße. Das heißt, dass wir etwas übersehen haben und von vorne anfangen sollten.«
Schwarz hatte inzwischen noch einmal die Kollegen in Freudenstadt angewählt und jemanden erreicht, der ihm Auskunft über Robert Steiner geben konnte. Als er aufgelegt hatte, grinste er übers ganze Gesicht.
»Bingo. Dieser Robert Steiner ist für die Kollegen kein unbeschriebenes Blatt«, sagte er. »Magst du hören, was ich erfahren habe?«
Braunagel stand auf und griff nach seiner Jacke.
»Ja. Aber lass uns was essen gehen, mein Magen knurrt.«
»Wieder beim Italiener wegen der Tischdecken?«
»Nein. Beim Griechen.«
»Weil du einen philosophischen Kick brauchst?«, feixte Schwarz und griff ebenfalls nach seiner Jacke.
»Nein, weil ich Appetit auf Suflaki und ganz viel Zaziki mit jeder Menge Knoblauch drin habe.«
»Okay, das ist ein guter Grund, mitzukommen«, grinste Schwarz ihn an und war bereits an der Tür. Er zeigte auf seinen unübersehbaren Bauchansatz. »Hauptsache, nicht schon wieder Bienenstich.«
»Hau schon ab!«
Christoph
Christoph stand am Wohnzimmerfenster des kleinen Apartments über seinem Büro und starrte in die Dunkelheit. Julia war tot. Jemand hatte sie umgebracht und ihr Gesicht brutal zugerichtet. Er konnte immer noch nicht glauben, dass ihre Beziehung auf eine Weise zu Ende gegangen war, die ihm seelische wie körperliche Schmerzen zufügte. Warum hatte er geglaubt, sie sei weggefahren, ohne sich von ihm zu verabschieden? Er hätte sie doch kennen müssen! Sie war dageblieben, weil ihr viel an ihrer Beziehung lag, die sie nicht einfach kaputtgehen lassen wollte.
Sein falscher Stolz schmerzte ihn so, dass er es körperlich spürte.
Seine Gefühle liefen Amok.
Er wollte und konnte nicht glauben, dass sie tot war. Dazu spürte er sie noch viel zu deutlich, schaute nach wie vor mehrmals am Tag vergeblich in die Mailbox, um zu sehen, ob sie ihm geschrieben hatte.
Es war einfach hirnrissig.
Es tat unglaublich weh.
Es war so verrückt.
»Julia!«
Er konnte nicht verstehen, wer das getan haben sollte und warum. Sie starb doch nicht etwa ihres Verhältnisses wegen, das ergab keinen Sinn! Und doch schien es, als habe ihr Tod etwas damit zu tun, dass sie sich kannten.
Aber wenn das stimmte: Warum wurde sie dann ausgerechnet hier im Wald erschlagen?
Oder sollte es jemand gewesen sein, der eine falsche Spur legen wollte? Dass es doch nichts mit ihrer Beziehung zu tun hatte?
Oder - wollte Julias Mörder, dass der Verdacht auf ihn fiel? Aber weshalb denn?
Christoph legte seine Stirn an die kühle Fensterscheibe.
Wer hatte diese Frau zerstören wollen und warum? Oder war es einfach nur jemand gewesen, der Lust an einem Mord hatte? Daran, das Gesicht einer Frau zu zertrümmern, die er kurz zuvor vielleicht mehr oder weniger zufällig getroffen hatte?
Vor seinem inneren Auge entstanden Bilder von ihr, wie sie nackt neben ihm gelegen hatte, ihn streichelte, neben ihm einschlief. Bilder, wie sie ihn angelacht, mit ihm gescherzt oder ernsthaft mit ihm diskutiert hatte. Sie war nur dieses eine Mal da vor dem Tor ausgerastet, wollte die Situation mit ihm klären und alles wieder in Ordnung bringen. Das kostete sie womöglich das Leben.
Oder doch nicht?
Er hätte ihr längst sagen müssen, warum er nicht nach Maria Wörth gefahren war. Eine Woche lang nur sie und er, während der er ihr zeigen wollte, dass ihm weitaus mehr an ihr lag, als er bislang zugegeben hatte.
Mehr, als er bis zu diesem Augenblick sich selber gegenüber zugeben wollte.
Es war ein Traum gewesen, der sich nicht erfüllen sollte.
Wäre er unterwegs nur nicht an sein verdammtes Handy gegangen! Dann wäre bestimmt alles ganz anders gekommen.
Jetzt war sie tot, und er bereute, ihr nicht all das gesagt zu haben, was ihm seit diesem verpatzten Urlaub durch den Kopf gegangen war.
Vielleicht wäre sie noch am Leben.
Wenn er nur den Mut gehabt hätte, mit ihr zu reden!
Scheiße.
Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße!
Der junge Mann wischte sich mit den Händen über die Augen. Er würde durchdrehen, wenn er nicht mit jemandem darüber sprechen konnte. Vielleicht sollte er diesen Braunagel anrufen?
Verdammt noch mal!
Er wandte sich vom Fenster ab und ließ sich erschöpft auf seinen Sessel fallen. Großer Gott, hoffentlich hatte sie nichts von den Schlägen gespürt, die ihr diese Bestie beigebracht hatte.
»Was ist los mit dir?«
Christoph fuhr herum. Seine
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