Eiswein (German Edition)
sie fort: »Christoph drehte damals fast durch. Hat sie rausgeschmissen und war dann über drei Wochen lang verschwunden. Einfach so! Die ist garantiert mit daran schuld, dass er das Zeug genommen hat! Eine aus dem Osten, da weiß man doch alles.«
Braunagel war bei diesen Enthüllungen zusammengezuckt und bemühte sich, die Erinnerungen an Alina zu verdrängen, die ihn ausgerechnet jetzt wie ein Tsunami zu überrollen drohten. Obwohl seine Ex weder mit Drogen noch mit dem Osten etwas zu tun hatte. Aber sie hatte auch gesagt, dass sie ihn mochte und annahm, wie er war. Das hatte er bis zum Schluss geglaubt.
»Das stimmt nicht, Mutter. Im Gegenteil, sie hat immer versucht, mich davon abzubringen. Das weißt du.«
»Das weiß ich? Das hast du mir erzählt , ja! Aber als das mit ihr passiert ist, hast du erst richtig mit dem Zeug angefangen.«
»Nein. Ich war nach dieser Trennung drei Wochen lang in einer privaten Klinik im Spessart, wo ich eine Therapie gemacht habe. War so eine ayurvedische Sache«, wandte er sich erklärend an die beiden Kommissare. Braunagel, der sich mühsam wieder in den Griff bekommen hatte, erinnerte sich daran, dass es eine spezielle Behandlung zur Entgiftung gab, die in Klöstern angeboten wurde. Aber waren die nicht in Indien?
»Eine dreiwöchige Kur? Was sollte das denn sein?« Margarete Orthler zuckte die Schulten. »Das ist doch gar nichts.«
»So viel hab ich von dem Zeug dann auch wieder nicht genommen.« Er schaute sie nachdenklich an. »Ich musste zurück nach Hause und mich um das Gut kümmern. Es war Herbst, erinnerst du dich?«
Margarete Orthler sog hörbar die Luft ein.
»Der ach so gewissenhafte Christoph Orthler«, spottete sie. »Du hast zugunsten des Gutes auf den Entzug verzichtet. Na bravo!«
»Ich habe nicht darauf verzichtet, die Kur dauerte nicht länger.«
Bevor das Gespräch weiter eskalierte, zog Braunagel die Bremse.
»Sie haben die beiden also am Tor belauscht und was gehört?«
»Wen?« Margarete Orthler löste sich nur ungern von ihrer Auseinandersetzung mit ihrem Sohn und schaute den Kommissar bissig an.
»Sie haben Julia Neubauer und Ihren Sohn belauscht«, erinnerte Schwarz sie.
»Ich hab gehört, wie sie ihn beschimpfte, weil er angeblich irgendwelche Versprechen nicht eingehalten hat. Zuerst dachte ich, es ginge um Weinlieferungen an ihr Hotel. Aber dann … Offensichtlich wollte sie mit ihm eine Woche lang wegfahren, aber er nicht mit ihr.« Wieder zuckte sie mit heruntergezogenen Mundwinkeln die Schultern. »Verständlich, finde ich.«
»Du verstehst gar nichts«, widersprach Christoph. Er sah völlig fertig aus, hatte mit einem Mal schwarze Ringe um die Augen. Braunagel hatte längst Mitleid mit ihm, das er ihm unter anderen Umständen auf Männerart gezeigt hätte.
»Ich verstehe gar nichts? Ach so? Und warum habt ihr euch dann dort am Tor über dieses Thema gestritten? Sie hat dir deutlich die Meinung geschoben, und du hast sie förmlich rausgeschmissen. Was sollte ich daran nicht verstehen?«
»Das mit Julia und mir.«
»Also war das doch nicht einfach nur eine Kundin, oder?«, heischte sie bei den beiden Kommissaren um Verständnis für ihre Wut. »Er hat mich angelogen! Wie so oft.«
Die beiden Kommissare spürten, wie Christophs Mutter vor Empörung beinahe die Luft wegblieb.
»Das ging dich auch nichts an!«
»Ach?«
Braunagel wechselte einen kurzen Blick mit dem jungen Winzer, der ihm mit einem kleinen Kopfschütteln anzeigte, völlig überrascht von diesem Gespräch zu sein.
»Was hat Sie eigentlich so aufgebracht, dass Sie Ihrem Sohn gefolgt sind, als er später wegfuhr?«
Die Frage traf Frau Orthler so unerwartet, dass sie noch einmal energisch nach Luft schnappte. Braunagel hielt sie mit seinem Blick gefangen, und sie wand sich sichtbar vor ihm auf ihrem Stuhl.
»Ich war wütend, weil er mich wegen dieser Frau angelogen hatte. Ich war nach diesem Streit bei ihm im Büro und hab gefragt, was die hier wollte und wer sie war. Er sagte, sie sei nur eine Kundin. Ha! Mit der er sich darüber gestritten hat, dass sie in irgendeine Absteige mit ihm fahren wollte? Für wie blöd hältst du mich denn?« Sie warf ihrem Sohn einen wütenden Blick zu.
»Nicht sie wollte mit mir da hin, sondern ich mit ihr«, stellte Christoph die Situation klar.
»Was macht das für einen Unterschied, ha?«
»Es macht einen Unterschied, Mutter.«
Margarete Orthler schüttelte den Kopf. Offenbar fiel ihr nichts mehr dazu ein. Dann wandte sie sich
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