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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Oft hatten sie seitdem davon gesprochen, das Haus in Kassel zu verkaufen und irgendwo hinzugehen, wo immer die Sonne scheint. Teneriffa vielleicht, wo sie im Orotava-Tal eine kleine Wohnung besaßen.
    Ohne das Geld für das Projekt Outlet-Center , um das Mälzer sie bis jetzt erfolgreich betrogen hatte, würde aus all diesen Plänen nichts werden, ganz im Gegenteil. Sie hatten ein Jahr lang ein komplettes Büro unterhalten, hatten Menschen beschäftigt und bezahlt, was weit mehr als eine Million ihres Privatvermögens verschlungen hatte.
    Mit einem Stück Toilettenpapier wischte sie sich eine Träne aus dem Gesicht, griff zu einem Tablettenröhrchen, das hinter ihren diversen Kosmetikbehältern versteckt war, nahm zwei Pillen heraus und schluckte sie mit etwas Wasser hinunter. Dann betrachtete sie ihr verheultes Gesicht im Spiegel über dem Waschbecken und fasste dabei einen Entschluss.

     
    *

     
    Nachdem sie kurz ins Schlafzimmer gespäht hatte und registrierte, dass ihr Mann eingeschlafen war, wie er es angekündigt hatte, bestellte sie bei der Funkzentrale ein Taxi, schlüpfte in einen knielangen Rock, zog ein Paar flache Schuhe an, nahm ihre Tasche von der Kommode im Flur und verließ das Haus.
    »Guten Tag«, sagte sie zu dem Taxifahrer, nannte die Adresse und stellte die Handtasche zwischen ihre Beine in den Fußraum.
    Während der kurzen Fahrt im sommerlichen Feierabendverkehr schaute sie schweigend aus dem Fenster. Die Stadt kam ihr größer, bedrohlicher vor als früher. Als die Mercedes-Limousine an ihrem Fahrziel angekommen war, bezahlte sie, gab dem Fahrer ein kleines Trinkgeld und stieg aus. Ihre Schritte waren etwas unsicher, als sie die Straße überquerte und auf die Gründerzeitvilla mit den vielen glänzenden Firmenschildern am Eingang zusteuerte.
    »Ja, bitte«, hörte sie als Reaktion auf ihr Klingeln aus der Sprechanlage.
    »Ich möchte bitte zu Herrn Mälzer«, sprach sie in das Aluminiumgewebe vor ihrer Nase.
    »Herr Mälzer ist leider nicht im Haus. Er wird erst nächste Woche zurückerwartet.«
    Veronika Lappert trat unsicher von einem Bein aufs andere und hatte sichtbar Mühe, mit der Situation umzugehen.
    »Dann möchte ich mit Frau Mälzer sprechen.«
    Ein kurzes Knacken in der Leitung.
    »Wen darf ich melden?«
    »Veronika Lappert . Frau Mälzer kennt mich.«
    »Einen kleinen Moment, bitte. Ich will sehen, was ich für Sie tun kann.«
    »Danke«, schickte die Frau des Architekten leise hinterher, doch die Dame am Empfang hatte die Verbindung schon unterbrochen.
    Dann ertönte der Summer und das schwere Tor fuhr nach innen. Die Frau trat ein und ging mit kurzen, knirschenden Schritten auf dem gekiesten Weg zum Haus, wo sie von einer etwa 25-jährigen Frau in Empfang genommen wurde.
    »Frau Mälzer hat leider nicht viel Zeit, weil sie in zehn Minuten einen Termin hat. Bis dahin steht sie Ihnen allerdings zur Verfügung.«
    Damit drehte sie sich um und ging voraus. Vor Molina Mälzers Bürotür blieb sie kurz stehen, nickte ihrer Begleiterin lächelnd zu und klopfte.
    »Herein«, kam es gedämpft zurück.
    Sie trat ein und ging ein paar Schritte auf die Frau hinter dem Schreibtisch zu. »Ihr Besuch, Frau Mälzer.«
    »Danke, Franziska«, erwiderte die Unternehmerin, ohne den Hauch einer Regung zu zeigen, und sah an ihr vorbei zu Veronika Lappert .
    »Und Sie können gerne näher kommen und sich setzen. Hier beißt Sie niemand, Frau Lappert .«
    Die Rezeptionistin entfernte sich lautlos und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Veronika Lappert ging auf Molina Mälzer zu, bis sie an den beiden Stühlen vor dem Schreibtisch angekommen war, und stützte sich darauf ab.
    »Ich weiß«, begann sie mit zitternder Stimme, »dass Sie für das verantwortlich sind, was meinem Mann heute widerfahren ist. Ich weiß es und ich werde Sie dafür zur Rechenschaft ziehen.«
    Molina Mälzer blieb völlig gelassen. Sie griff nach einem Wasserglas, trank einen Schluck und stellte es zurück.
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Frau Lappert , und offen gesagt interessiert es mich auch nicht. Ich dachte, Sie seien zu mir gekommen, um mir einen annehmbaren Vergleichsvorschlag zu machen, damit wir diesen lästigen Rechtsstreit endlich vergessen können. Aber anscheinend habe ich mich getäuscht.«
    Veronika Lappert kämpfte mit den Tränen, aber so leicht wollte sie es ihrer Gesprächspartnerin nicht machen.
    »Wir werden diesen, wie Sie es nennen, ›lästigen Rechtsstreit‹ bis zur letzten Instanz

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