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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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Vincenzo, erzählen Sie doch
bitte, was Sie dermaßen umgehauen hat. Doch wohl kaum der Umstand, dass ein
Mann eine Frauenkette trägt, oder?«
    Vincenzo blickte an Paci hoch und sagte mit schwacher Stimme: »Die
Initialen. Sehen Sie sich die Initialen an.«
    Sie musterte die Kette. »Ein G, ein V, na und? Kennen Sie den Mann?«
    Vincenzo schüttelte den Kopf. »Nein, ich kenne ihn nicht. Aber das G
steht für Gianna, das V für Vincenzo. Ich habe ihr diese Kette erst vor
ein paar Wochen geschenkt. Sie hat sie am letzten Wochenende getragen.«

10
    Forensische Psychiatrie, Freitag, 8. Oktober
    Das Echo ihrer Schritte hallte laut durch die Gänge. Sie
mussten fast schreien, um einander zu verstehen. Der erste Termin von Vincenzo
und Ispettore Marzoli an diesem Morgen war mit Dottore Crescente Albertazzi,
dem Leiter der Forensischen Psychiatrie; sie wollten mit dem
Monster sprechen. Sabine Mauracher sollte derweil versuchen
herauszufinden, um wen es sich bei dem Toten aus der Talfer handeln könnte.
    Seitdem Vincenzo am Vortag Giannas Kette in der Hand gehalten und im
Bruchteil einer Sekunde realisiert hatte, was geschehen sein musste,
übermannten ihn seine Gefühle immer wieder. Zunächst war er vollkommen leer
gewesen, nicht einmal zu Tränen fähig. Das Unvorstellbare war eingetreten, die
Katastrophe war da. Wortlos hatte er die Questura verlassen, um nach Hause zu
fahren. Unterwegs wich seine Apathie einem heftigen Zorn. Jemand hatte Gianna
entführt, das stand für Vincenzo fest. Ein Wahnsinniger, der ihm ein abstruses
Spiel aufzwang. Wenigstens gab es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie noch
lebte. Warum sonst Spiele und Zeichen?
    Wenn das alles gegen ihn persönlich gerichtet war, fiel ihm nur
einer ein, der ihn genügend hassen konnte. Das größenwahnsinnige »Monster von
Bozen«. Der Mann, der ihn im letzten Jahr erbarmungslos verfolgt und um ein
Haar in den Tod getrieben hatte. Doch dafür hätte er aus der Psychiatrie
entkommen müssen, aus dem Hochsicherheitsbereich, in dem er seit Monaten der
einzige Insasse war. Das jedoch wäre nicht unbemerkt geblieben.
    War es ein anderer Psychopath, der sich an der Polizei als
Institution rächen wollte? Einer, der sich ihn, Vincenzo, ausgesucht hatte,
weil er im Zuge der Aufklärung dieses Serienmordes eine gewisse Prominenz in
Bozen erlangt hatte? Fakt war, dass er es mit jemandem zu tun hatte, der keine
Skrupel kannte. Sobald er an Gianna dachte, überfiel ihn Panik. Wo mochte sie
sein? Wie ging es ihr? Hatte sie Todesangst, war sie verletzt? Wenn Vincenzo an
ihren Entführer dachte, empfand er blanken Hass.
    Jemand, der es gut mit dir meint.
    Ein derartiger Zynismus, solche Menschenverachtung rief in Vincenzo
Gewaltphantasien hervor, derer er sich niemals für fähig gehalten hätte. Ohne
es zu merken, hatte er seinen Alfa im Hochtal vor Sarnthein auf weit über
hundert beschleunigt. Verbotsschilder und durchgezogene Linien interessierten
ihn bei seinen Überholmanövern nicht. Er nahm sie gar nicht wahr.
    Plötzlich fielen ihm Giannas Eltern ein. Wie sollte er ihnen das
beibringen? Ihre Tochter, ihr einziges Kind war spurlos verschwunden, war mit
großer Sicherheit entführt worden. Und das höchstwahrscheinlich, weil ihr
Freund Polizist war. Wie würden sie reagieren? Sie liebten Gianna, wie nur
Eltern lieben können.
    Wie ferngesteuert nahm Vincenzo den Fuß vom Gas. Er entschied sich,
den Besuch in der Psychiatrie abzuwarten, ehe er die Familie dal Monte
informierte.
    »Hat er Kontakt zur Außenwelt? Kann er mit anderen Menschen
kommunizieren, Dottore?« Albertazzi, der leitende Psychiater, hatte sich bereit
erklärt, Vincenzo und Marzoli unverzüglich zu seinem Patienten zu führen.
Vincenzo schätzte ihn auf Anfang fünfzig. Er war schlank, dynamisch, hatte
volles dunkles Haar, einen ironischen Unterton in seiner Stimme. Er strahlte
die Autorität und das Selbstbewusstsein eines Menschen aus, der nichts anderes
kannte als den Erfolg.
    »Wo denken Sie hin, Commissario? Es gibt nur einen Menschen, den er
regelmäßig zu Gesicht bekommt: seinen Therapeuten, Eusebio Zabatino, meinen
Mitarbeiter. Er ist selbst ein einsamer, frustrierter Kauz, dem ich nur einen
einzigen hoffnungslosen Fall anvertraut habe. Aber vielleicht kann er gerade
deshalb diesen Irren zurückholen. Ein so ungewöhnlicher Fall paranoider
Schizophrenie ist mir nämlich noch nicht untergekommen. Aber Sie kennen ihn ja
selbst.«
    »Warum haben Sie ihn in diesem Gruselkabinett

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