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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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gegen
dich gerichtet. Mir tat mein Kollege leid. Das hat mich geärgert. Ich verspreche
dir, zukünftig besser aufzupassen, bevor ich was sage.«
    »Vincenzo, hör auf, dich anzubiedern. Das ist nicht dein Stil. Du
hast die bemerkenswerte Gabe, mich in einem Moment total zu beeindrucken, um
mich im nächsten zu enttäuschen. Du ärgerst dich über das Foto, unterstellst
mir, dass es von mir ist – gut. Na ja, nicht gut, aber so siehst du das eben.
Ich nehme das zur Kenntnis. Ich schreibe dir drei Punkte gut. Wer weiß, wie
wichtig der vierte für dich gewesen wäre. Hoffentlich rächt sich das nicht
irgendwann. Apropos: Morgen darfst du dich auf deinen nächsten Zug freuen.« Das
Gespräch war beendet. Der Erpresser hatte den Ispettore zum Bauernopfer
gemacht.
    Vincenzo verspürte ein Frösteln, während er langsam zum Büro des
Vice-Questore ging. Dort erwartete ihn bereits Marzoli. Das Gefühl, dem Spielführer auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein,
war kaum weniger verheerend als das Wissen, dass seine Gianna sich in den
Händen dieses Irren befand. Vermutlich sah man ihm das an, denn Baroncini, der
sichtlich zu einer Standpauke angesetzt hatte, entschied sich anders.
    »Setzen Sie sich, Commissario. Kaffee? Wissen Sie, wie dieses Foto
in die Zeitung gekommen ist?«
    Vincenzo berichtete von seinen Telefonaten mit Fasciani und dem
Entführer. Baroncini musste zweimal nachfragen, weil Vincenzos Stimme mit jedem
Wort leiser wurde. Ratlosigkeit und Schweigen breiteten sich aus. Auf eine
solche Situation war keiner von ihnen vorbereitet. Sie war zu abstrus, um in
der Polizeischule trainiert zu werden.
    Erst nach einer gefühlten Ewigkeit ergriff Baroncini das Wort. Seine
Selbstsicherheit, eigentlich sein Markenzeichen, war spurlos verschwunden.
»Meine Herren, so verrückt das Ganze ist, wir müssen versuchen, mit dem Wenigen
zu arbeiten, was wir haben. Es ist eine Frage von wenigen Tagen, vielleicht nur
von Stunden, bis mich Patricello zu sich bestellt. Dann hätte ich gerne ein
paar Antworten für den Capo della Polizia. Diese Art von Presse können wir uns
nicht leisten. Gehen wir in Ihr Büro, Commissario, nutzen wir Ihre legendären
Pinnwände, um alles festzuhalten, was wir bislang wissen. Wir haben einen Tag
Zeit, ehe der Verbrecher seine nächste Forderung stellt. Den müssen wir
nutzen.«
    Die belastbaren Fakten hatten sie binnen einer halben Stunde
zusammengetragen. In der ganzen Zeit ignorierte Marzoli Vincenzos Cantuccini,
er widmete sich stattdessen seinen Fingernägeln. Auf der großen Pinnwand
standen wenige Kernsätze:
 
    1.   Gianna dal Monte entführt, vmtl. am 3. Oktober,
Aufenthaltsort unbekannt, hat mit Eis zu tun.
    2.   Michael Oberrautner vermisst, vorbestraft, Fahndung erfolglos.
Entführer?
    3.   Hans Valentin sucht Gianna auf eigene Faust in der Marmolata.
    4.   6. Oktober: Männliche Leiche in der Talfer, Genickbruch,
Gesicht zertrümmert. Zusammenhang, da Opfer Giannas Halskette trug.
    5.   Eusebio Zabatino vermisst. Vmtl. seit 27. September.
Zusammenhang mit 4.?
    6.   Auffällig: Zabatino war Therapeut des Monsters.
 
    »Die zentrale Frage lautet«, unterbrach Baroncini das erneute
Schweigen, »ob es überhaupt einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden
Oberrautners und unserer Talferleiche gibt. Der Entführer will uns erpressen,
demütigen, vorführen. Welchen Sinn macht es, dafür jemanden umzubringen? Um
Ihnen auf perverse Weise die Halskette Ihrer Freundin zukommen zu lassen? Die
hätte er seinem Brief beifügen können. Die Botschaft wäre dieselbe gewesen.«
    Vincenzo nickte. »Mag sein. Aber vielleicht will er uns zeigen, wozu
er fähig ist. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass wir in Bozen
zeitgleich zwei voneinander unabhängige Kapitalverbrechen haben. Da muss ein
Zusammenhang bestehen. Zumal ich wette, dass unser Toter Zabatino ist. Ich habe
Paci eine Haarbürste von Zabatino gegeben. Damit kann sie sich die
Weichteilanalyse sparen. Theoretisch könnten wir jemanden abstellen, der die
Psychiatrie überwacht. Unser Mann schreibt Briefe, er ruft an, er muss zu
Gianna, er muss sich im Grunde jeden Tag frei bewegen können. Wäre Oberrautner
unser Täter, würde ich kein Problem sehen, ist es hingegen doch unser Monster,
befürchte ich, dass er mitkriegt, wenn wir die Psychiatrie observieren. Wir
wissen aus eigener, leidvoller Erfahrung, wie gerissen und intelligent er ist.
Wer weiß, was dann mit Gianna geschieht.«
    Baroncini bedeutete seinen

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