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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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Polizisten, sich an Vincenzos
Besprechungstisch zu setzen. »Commissario, Sie verrennen sich da in was. Ihr
Monster kann es nicht sein. Der sitzt in der Geschlossenen, zigfach gesichert.
Der kann nicht raus und erst recht nicht wieder rein. Und das auch noch
unbemerkt. Wie sollte er das anstellen? Allerdings müssen wir diese Möglichkeit
ausschließen. Deshalb werden wir auf jeden Fall die Psychiatrie observieren
oder, noch besser, seine Zelle. Mindestens für zwei Tage. Passiert in der
Zwischenzeit etwas, können wir ihn ausschließen. Ich halte es zudem für
sinnvoll, seine Zelle zu durchsuchen.«
    Vincenzo sah Baroncini entgeistert an. »Vice-Questore! Keine
Artillerie, keine Überwachung. Seine Briefe sind unmissverständlich. Wenn er
unseretwegen nicht rauskommt, wird er Gianna bei nächster Gelegenheit
umbringen. Oder sie verreckt elendiglich auf irgendeinem Gletscher, verstehen
Sie?«
    »Commissario, selbstverständlich verstehe ich Sie. Trotzdem können
wir uns als Rechtsstaat nicht von einem Verbrecher erpressen lassen. Wo kämen
wir denn da hin? Wenn wir die Psychiatrie observieren, wird er davon gar nichts
mitbekommen. Davon abgesehen wird es für die Kollegen, die den Job machen,
ziemlich langweilig. Mit der Durchsuchung der Zelle können wir meinetwegen ein
paar Tage warten. Wir werden ohnehin nichts finden.«
    »Bitte!«
    Vincenzos trauriger Blick ließ den ansonsten eher rationalen
Baroncini nicht unberührt. »Einverstanden, wir warten auch mit der Überwachung
noch ein paar Tage, je nachdem, was er als Nächstes verlangt. Kam Ihnen seine
Stimme denn bekannt vor?«
    »Nein, aber wir wissen, wie gut er sich verstellen kann … Moment! Da
könnte das Motiv für den Mord liegen!« Plötzlich erkannte Vincenzo den
Zusammenhang. »Er wollte Zabatinos Codekarte! Wenn nur zweimal täglich jemand
zu ihm kommt, hat er genügend Zeit.«
    Marzoli machte die Erkenntnis seines Kollegen mit einer einzigen
Frage zunichte: »Und wie ist er an den Zahlencode für seine Zelle gekommen?«
    ***
    St. Pankraz
    Die leichten Schneefälle des Vortags hatten die Landschaft
in ein zartes Weiß gehüllt. Während der Schnee im Tal längst abgetaut war,
blieb es auf den Höhen winterlich. Nebelfelder hatten in der Nacht einen
Schleier von Raureif über den Schnee gelegt. Die Sonne schimmerte milchig durch
die zarten Wolken, die den ganzen Himmel überzogen. Es war windstill, die
angekündigten neuerlichen Schneefälle blieben vorläufig aus. Eine typische
Wetterlage für Anfang Dezember, aber nicht im Oktober.
    Maria Hofer war wie gewohnt früh auf den Beinen. Nachdem sie den
Kamin in der kleinen, heimeligen Stube geheizt hatte, galt ihr erster Blick dem
Hof. War Alois Stadler schon unterwegs? Sein Wagen stand auf dem Hof, also war
er noch in seinem Ferienhaus. Wäre es zu aufdringlich, ihn zu einem Kaffee
einzuladen?
    Spätestens seit ihrem Umtrunk ging ihr der Gast nicht mehr aus dem
Kopf. Obwohl sie wusste, dass ein solcher Mann Chancen zuhauf hatte, dass es
für sie keine gemeinsame Zukunft geben konnte, gelang es ihr nicht, sich von
der Faszination, die von ihm ausging, zu lösen. Sie wollte alles über ihn
wissen. Sie setzte sich an ihren Computer, den sie sich für die Vermietung der
Wohnungen angeschafft hatte. Viele Gäste wollten ihre Buchungen online
abwickeln, sie musste mit der Zeit gehen. Jemand aus dem Dorf hatte ihr
gezeigt, wie man mit dem Ding umging und auch, wie man Informationen im
Internet suchen konnte.
    Sie gab Alois Stadler bei Google ein. Über
eine Million Einträge. Sonderlich geübt im Umgang mit dem Internet war sie
nicht, es dauerte eine Weile, bis sie ihn gefunden hatte. Alois Stadler hatte
eine Homepage als Schriftsteller. Er verfasste Alpenliteratur. Es gab bislang
zwanzig Bücher von ihm. Aber er schien ein zurückhaltender, scheuer Mensch zu
sein, was gar nicht zu dem Bild passte, das sie sich von ihm gemacht hatte.
Obwohl er so blendend aussah, fand sie kein Foto von ihm. Warum gab es keine
Bilder von ihm?
    Kurzentschlossen rief sie ihn im Ferienhaus an. »Ich hoffe, ich habe
Sie nicht geweckt, Herr Stadler?«
    »Guten Morgen, Frau Hofer. Es ist noch sehr früh. Was kann ich für
Sie tun?«
    Seine Stimme klang freundlich, aber distanziert. Sie ging vermutlich
einen Schritt zu weit. Und nun? Zurückhaltung oder Neugier? Die Entscheidung
war schnell gefallen. »Ich dachte mir, ich könnte Sie mal wieder zu meinem
Spezialkaffee einladen.«
    »Heute ist es ungünstig. Ich muss dringend an meinem

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