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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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Sie
hatte Oberrautner eindeutig erkannt.
    Vincenzo legte auf und ging zum Kühlschrank. Nur ein oder zwei Bier.
Nachdem er tagelang nichts getrunken hatte, würde das reichen, um gut
einzuschlafen. Ohne Schlaf würde er bald zusammenbrechen. Er öffnete die
Flasche, sah an sich hinunter. Hatte er tatsächlich die ganze Zeit nackt
dagesessen? Er streifte Jogginghose und T-Shirt über, ging er an seinen CD -Ständer und zog Mozart hervor, Klavierkonzert Nummer 23.
Vor allem der zweite Satz, das Andante, konnte Vincenzo selbst in Momenten von
Trauer und Frust in einen melancholisch-meditativen Zustand versetzen, der zu
einer tiefen inneren Ruhe führte. Sobald die Streicher einsetzten, bekam er
Gänsehaut. Er beschloss, statt eines zweiten Bieres zu Mozart ein Glas Amarone
zu genießen.
    Um elf Uhr lag Vincenzo im Bett. Das Handy blieb stumm. Noch ehe er
sich die Decke über die Schultern gezogen hatte, fiel er in einen
gleichmäßigen, tiefen Schlaf. Sein Körper holte sich endlich, was er brauchte.
    ***
    Forensische Psychiatrie, 23.30 Uhr
    Bald Mitternacht, zwei Stunden war es her, seit die
Gestalt in dem Gebäude verschwunden war. Mauracher war sicher, dass es sich um
Bellinis Monster handelte. Woher hatte der Kerl nur
dieses teure Auto? Soweit sie wusste, lag keine entsprechende Diebstahlmeldung
vor. Immerhin war es ein Leichtes, morgen den Fahrzeughalter zu ermitteln.
    Plötzlich schwang die Tür auf. Wusste sie es doch! Wie auch immer
Oberrautners Fingerabdrücke auf Giannas Kette gekommen waren, ein Mörder war
das nicht, niemals.
    Die dunkel gekleidete Gestalt trat ins Freie, eine weitere Person
folgte ihr. Was hatte das zu bedeuteten? Die Tür schwang zu, die beiden stiegen
rasch die Stufen hinab. Sie wirkten vertraut, schienen einige Worte zu
wechseln. Steckten etwa beide dahinter? Arbeitete Oberrautner mit dem Monster zusammen? Das würde natürlich so manches erklären,
wie viel einfacher wäre die Logistik des perversen Spiels !
    Die beiden gingen rasch zu dem BMW und
stiegen ein. Sekunden später rollte der Wagen dicht an ihrem Versteck vorbei.
Sie versuchte, ins Innere zu schauen – nichts zu erkennen. Als der Wagen auf
die Straße fuhr, hechtete sie zu ihrem Fiat und fuhr los, impulsiv, unüberlegt.
Sie musste herausbekommen, wer in dem Wagen vor ihr saß.
    Der BMW fuhr Richtung Autobahn, hielt
sich strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Er fuhr auf die mautfreie
Schnellstraße Richtung Meran, sie folgte ihm in einem Abstand von zweihundert
Metern. Bis zum ersten Tunnel hielt sich der BMW weiter an das Tempolimit, dann beschleunigte er abrupt. Sein Vorsprung
vergrößerte sich rasch.
    Mauracher trat das Gaspedal durch, es nützte nichts. Mit ihren
neunundsechzig  PS war sie chancenlos.
    Vermutlich hatten sie sie bemerkt oder ahnten zumindest, dass sie
verfolgt wurden. Ein weiteres Indiz für ihre These. Wer nichts zu verbergen
hatte, musste nicht fliehen. Morgen mussten sie als Erstes den Halter des BMW ermitteln. Der Fall nahm überraschend Konturen an.
Der Commissario würde stolz auf sie sein. Mit einem guten Gefühl fuhr sie
zurück in ihre kleine Citywohnung.

18
    Rifugio Falier, Samstag, 16. Oktober, 04.00 Uhr
    Valentin hatte unruhig geschlafen, die Gedanken kreisten
in seinem Kopf. Er war es gewohnt, den Naturgewalten zu trotzen. Schneestürme,
eisige Temperaturen, ein luftiges Biwak in einer Felswand bei minus vierzig
Grad, tagelange Abgeschiedenheit, das alles machte ihm nichts aus. Doch diesmal
ging es um ein Menschenleben, um Gianna, die Frau eines seiner besten Freunde. Dass
er mit seiner Vermutung, sie wäre im Umfeld des Marmolatagletschers versteckt,
unrecht gehabt hatte, machte ihm zu schaffen.
    In der Nacht hatte der Wind kräftig zugelegt, es pfiff, ächzte,
knarrte überall in dem alten Gemäuer des Rifugio. Er war sich nicht sicher:
Entweder brach das Unwetter am Vormittag los, oder gerade der starke Wind hielt
das Vorrücken der Front noch einmal auf. In diesem Fall hätte er den Tag, den
er für den Adamello brauchte.
    Mit einem großen Becher Kaffee in der Hand trat er vor die Tür, vier
Uhr, stockfinster. Er legte seinen Höhenmesser auf einen Stein und wartete.
Sein Gefühl sagte ihm, dass es noch einmal zu einer Wetterberuhigung kommen
würde. Es kam ihm vor, als wäre es noch etwas milder geworden, das spräche für
eine stabile Südostströmung. Am Abend hatte es leicht geregnet, nach
Mitternacht wieder aufgehört. Auch das war ein gutes Zeichen.
    Nach zehn Minuten

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