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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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kann.
    Weit über 20 Kriminalisten melden sich in den nächsten Tagen in den Räumen der Morduntersuchungskommission zum Dienstantritt. Korges hat inzwischen mehrere Arbeitsgruppen gebildet, in die er die Zusatzkräfte verteilt.
    Neben der routinemäßigen Überprüfung der internen Speicher und polizeibekannter Gewalt- und Sexualtäter erforscht eine Gruppe alle Personen aus dem sozialen Nahraum der getöteten Schülerin. Eine andere ermittelt die Personenbewegung zur fraglichen Zeit am Bus- und Hauptbahnhof. Eine dritte überprüft die Taxifahrer von Karl-Marx-Stadt. Weiter werden Ermittlungen zum Fahrzeug- und Personenverkehr in der Nähe des Fundorts der Leiche geführt. Sämtliche Färbereien der Region sind Anlaufstellen für Nachforschungen über Kunden, die Schafwolle zum Färben in Auftrag gegeben haben.
    Alle Ermittlungen richten sich nun auf das Alibi für den 12. Oktober und den Besitz von selbstgestrickter grüner Schafwollbekleidung.
    Zeitgleich werden im Landkreis Hainichen und in der Bezirksstadt Handzettel der VP verteilt, Fahndungsplakate in allen öffentlichen Einrichtungen ausgehängt und Informationen in der Tagespresse veröffentlicht, um die Bevölkerung zur Mitfahndung aufzurufen. Immer wieder spielt dabei das Interesse der Kriminalpolizei an Personen eine wichtige Rolle, die grüne Schafwollbekleidung besitzen.
    In wenigen Tagen hat Rudi Korges’ große Mannschaft mehrere hundert Personen zu überprüfen. Niemand hatte bis zu diesem Zeitpunkt geahnt, wie viele unbescholtene Mitbürger ihre Freizeit mit dem Verstricken grüner Schafwolle verbringen.
    Es ist ein glücklicher Umstand, daß Schönborn die entsprechenden Vergleichsuntersuchungen an Ort und Stelle vornehmen kann. Das führt zur schnellen Entlastung aller ehrsamen Träger von grünen Schafwollpullovern.
    Rudi Korges’ Untersuchungskonzept zeigt immer mehr die Wirkung eines zwischen allen Möglichkeiten weit ausgespannten Spinnennetzes. Nur drei Wochen später wird er die Beute zu einem festen Paket für die Anklageerhebung verschnürt haben. Noch aber kann er nicht wissen, daß der unbekannte Täter sich bereits in den zähen, klebrigen Fäden der Ermittlungen unentrinnbar verfangen hat.
    Seit dem Fund der getöteten Schülerin Marlies Stenzel brechen die Spekulationen über die Umstände ihres grausamen Todes in der alten, kleinen Stadt Frankenberg nicht ab. Der Mord ist das Topthema jedes Tagesgesprächs. Besonders als bekannt wird, daß die VP einen Verdächtigen mit grüner Schafwollbekleidung sucht, schlagen die Emotionen hohe Wogen und die Vermutungen über den Täter ufern zu irrealen Phantasiegebilden aus. Schon der bloße Besitz eines grünen Pullovers kommt bei den erregten Bürgern einer Täterschaft gleich.
    Die Eltern des Opfers durchleben eine schreckliche Leidenszeit unzähliger Tränen und schlafloser Nächte. Immer wieder beschäftigt sie, was für ein Mensch der Täter wohl sein mag, ob er noch jugendlich oder bereits erwachsen ist, in welcher Familiensituation er leben könnte und vor allem, wie er mit dem schrecklichen Geschehen weiterleben wird. Hauptmann Korges opfert den Eltern viele Stunden, um geduldig die unzähligen Fragen zu beantworten, den jeweiligen Ermittlungsstand zu erläutern und die Zuversicht zu vermitteln, daß der Täter eines Tages gefaßt sein wird.
    Katrin Essenbach plagen Schuldgefühle, sich in der Nacht zum 12. Oktober auf dem Bahnhof von ihrer Freundin getrennt zu haben. So oft sie kann, besucht sie die Eltern von Marlies, um auf diese Weise ihre Anteilnahme zu bekunden. Auch ihre eigenen Eltern unterhalten einen engen Kontakt zu den Stenzels. Seit Jahren sind die Familien miteinander befreundet.
    In der Familie Essenbach wird deshalb häufig über den Mord an Marlies Stenzel gesprochen. Katrins Vater, der 44jährige Hartmut Essenbach, ein ansonsten eher stiller, unauffälliger Mann, der als Brigadier in der Eisengießerei wie der Vater der Getöteten fleißig seine schwere Arbeit verrichtet, lenkt die Familiendiskussionen immer wieder auf das Geschehen.
    Einige Tage nach der Entdeckung des Opfers am Lichtenwalder Weg berichtet er beiläufig, daß er vor einer knappen Woche genau an dieser Stelle eine merkwürdige Beobachtung gemacht hätte: für wenige Minuten habe dort ein beigefarbener Wartburg geparkt, dessen Fahrer sich durch das Dickicht der Holunderbüsche zwängte.
    Frau Essenbach drängt ihren Gatten, diese Wahrnehmung der Polizei mitzuteilen. Doch Hartmut Essenbach gibt zu

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