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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Michel feststellte — knieten mit dem Gesicht gen Mekka und beteten.
    Michel blieb liegen und täuschte Müdigkeit vor, obwohl er hellwach war. Seine Nerven fieberten. Langsam bemächtigte sich seiner eine fast unerträgliche Spannung. Die Stunde der Entscheidung nahte. Das Gebet war vorüber. Und fast im selben Augenblick erhob sich draußen ein Lärm, als seien tausend Teufel losgelassen.Das Heer des Daj versammelte sich zum Aufbruch.
    Man muß wissen, daß solch ein Aufbruch die Betriebsamkeit eines Volksfestes hatte. Kampf war das eigentliche Handwerk des Mohammedaners. Hier war er in seinem Element. Abschieds Stimmung gab es nicht; denn der Tod auf dem Schlachtfeld war ja nach der Verkündung des Propheten etwas Süßes. Niemand konnte den siebten Himmel so schnell erreichen wie der Krieger, der im Kampf gegen einen ungläubigen Gegner gefallen war. Hinzu kam, daß hier das weibliche Element keinen Teil hatte. Die Frauen zeigten sich nicht in der Öffentlichkeit. Sie netzten nicht mit Tränen des Trennungsschmerzes die Schwerter der Kämpfer für den Propheten. Sie blieben unbeachtet hinter den verschlossenen Türen ihres Harems und waren vergessen, sobald ihr Herr und Gebieter sich zum Kriege rüstete.
    Wieder hämmerte wilde Janitscharenmusik an Michels Ohren. Die Stimmen der einzelnen Befehlshaber brüllten durcheinander, man schrie Befehle hinaus, um Ordnung in die regellosen Haufen zu bringen.
    Dann trat plötzlich eine unheimliche Ruhe ein. Das mußte der Augenblick sein, in dem der Daj mit seiner Leibgarde erschien.
    Die Posten, die Michel bewachten, wurden unruhig. Sie schienen es hier im Palast nicht mehr aushalten zu können. Jetzt setzte die wilde Musik wieder ein. Der aufpeitschende Rhythmus fuhr ihnen in die Beine, jagte Schauer über ihre Rücken.
    Die Wachen blickten dorthin, wo der Mann lag, den sie bewachen mußten. Er schlief, schlief fest. Und auch wenn er wach war, würde er es nicht wagen zu fliehen. Wohin sollte er auch flüchten? Die Stadt war ständig von mehreren Postenketten umgeben, die beim Nahen von Juden und Christen bestimmt aufmerksam würden.
    Michel stellte fest, daß der Wachthabende aus dem Säulengang verschwunden war. Er erhob sich und ging zum Innenhof. Niemand, der ihn aufhielt.
    »He!« rief ihn plötzlich eine Stimme an, die von der anderen Seite kam.
    Er fuhr herum.
    Dort hinten im Säulengang stand ein Janitscharenoffizier, der ein paar arabische Wörter schrie und heftig gestikulierte.
    Michel nahm sich zusammen, verbarg seine Enttäuschung und ging langsam zu ihm hin. Als er in Höhe seines eigenen Diwans war, sagte der Offizier plötzlich auf Englisch: »Vergeßt Euern Säbel nicht, Sir, ich habe noch keine weitere Waffe besorgen können. Kommt jetzt. Die Luft ist rein.«
    Michel unterdrückte einen Ausruf der Überraschung. »Isolde Hawbury?« fragte er. »Yes, ich bin es. Kommt.«
    Die gertenschlanke, kleine Figur des verkleideten Mädchens wandte sich der ersten Tür zu und öffnete sie.
    »Dieser Weg ist frei!«
    Sie nahm Michel den Säbel ab und schritt mit der Waffe in der Hand hinter ihm. Jeder zufällig Vorüberkommende hätte die beiden für Gefangenen und Wächter gehalten. »Wo sind meine Kameraden?« flüsterte Michel zurück.
    »Auf der ändern Seite des Palastes. Wir müssen durch die Privatgemächer des Daj hindurch. Der einzige, den wir im Augenblick zu fürchten haben, ist Hussejn, der Leibdiener und Kanzler des Pascha.«
    »Habt Ihr einen Plan?« fragte Michel. »Oder gehen wir ins Blaue hinein?«
    »Ich habe einen, weiß natürlich jetzt noch nicht, ob er gelingen wird. Hoffen wir das Beste.
    Bitte, schweigen wir jetzt.«
    Sie gingen langsam weiter. Nirgends zeigte sich eine Menschenseele. Das Innere des Palastes lag wie ausgestorben. Man konnte seine eigenen Schritte kaum hören; denn der Lärm des Auszugs hatte sich mittlerweile zu einem orkanartigen Brausen entwickelt.
    »Miß Hawbury!« ergriff Michel nochmals das Wort. »Was wird, wenn die Sache mißlingt und man uns wieder fängt?«Die Antwort kam nicht sofort. Sie schien zu überlegen. Dann meinte sie: »Spielen wir mit offenen Karten. Ihr habt starke Nerven. Ich brauche Euch also nichts vorzumachen. Werden wir erwischt, so kommt Ihr ohne Zweifel in den Gefangenenturm. Daraus gibt es kaum ein Entrinnen. Steinbrucharbeit am Rand der Wüste kommt danach. Mir wird der Daj eigenhändig einen Genickschlag mit seinem Krummsäbel versetzen, das ist die übliche Strafe für entlaufene Sklaven.

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