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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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ausfindig gemacht hatte, behilflich zu sein. Dabei kündigte er gleich den Abtransport der Gräfin für den morgigen Tag an. Michel nickte nur.
    »Ich bin froh, daß diese Teufelin endlich ihrer gerechten Strafe entgegengeführt wird, nicht wahr, Don Esteban?«
    Der Graf sah zu Boden und gab keine Antwort. —
    Der Alcalde und Michel ritten hinweg. Aber schon nach zwei Stunden kamen sie zurück. Ihre Gesichter verrieten, daß sie den Arzt nicht gefangen hatten.
    »Er hat sich beizeiten aus dem Staub gemacht«, sagte der Alcalde verdrießlich. »Sein Haus war leer. Ich möchte wissen, woher er die Nachricht bekommen hat, daß wir ihn in Verdacht haben, der Gräfin beim Mord an ihrem Schwiegervater geholfen zu haben!«
    Wieder sagte der Graf nichts, obwohl er über diese Wendung erschrocken zu sein schien. Der Alcalde verabschiedete sich mit der nochmaligen Versicherung, daß er morgen Marina abholen werde. —
    Am Abend sollte Michel eine unangenehme Überraschung erleben. Don Esteban war schon den ganzen Tag über in gedrückter Stimmung gewesen. Als die beiden Männer bei einer Flasche Wein zusammensaßen, begann er seine Beichte:
    »Senor Baum, ich weiß, Ihr werdet mich nicht verstehen; aber ich will Euch ohne jede Umschweife sagen, daß meine Frau morgen nicht den Weg nach Barcelona antreten wird. Ich habe sie bereits vorgestern in aller Heimlichkeit fliehen lassen.«
    Michel Baum sah ihn mit großen Augen an und mußte sich eingestehen, daß ihm das letzte Verständnis für die Handlungsweise des Grafen fehlte.
    »Ihr unterschätzt mich, Graf, wenn Ihr annehmt, ich würde Euch ob dieses Schrittes verdammen oder auch nur rügen. Ich weiß menschliches Verzeihen und Verstehen wohl zu schätzen. Und ich weiß auch, daß esim Herzen eines wertvollen Menschen Gefühle gibt, welche die wildesten Stürme überdauern. Deshalb bemühe ich mich, Euch zu verstehen. Nur eins habt Ihr bei alledem nicht beachtet. Wenn ein Mensch edel sein will, so soll er verhindern, daß anderen Menschen ein Leid zugefügt wird. Wieviel Leid aber, glaubt Ihr, wird Marina noch stiften, wenn sie der Arm des Gesetzes nicht erreicht? Ich bin der Letzte, der übermäßigen Respekt vor den Gesetzen hat. Aber ich werde stets versuchen, andere Menschen vor Böswilligen zu bewahren. Trotzdem, hier meine Hand. Ich weiß, daß Ihr eine Seele habt, die größer ist, als man es sonst schlechterdings bei einem Menschen voraussetzen möchte. Deshalb schätze ich Euch.« Don Esteban sah auf.
    »Ihr habt gewiß nicht unrecht mit Eurer Mißbilligung, die teilweise in dem, was Ihr eben sagtet, zum Ausdruck kam. Ich will eine Gegenfrage an Euch richten: wenn die Frau, die Ihr liebt, zur Mörderin würde aus — aus — ich weiß nicht, was für Gründen, würdet Ihr dann zusehen wollen, wie man sie henkt?«
    Michel hob sein Glas und lächelte.
    »Auf das Leben«, sagte er.
    Zwei Tage später ritt er fort. Das Gewehr, die Erfindung des Grafen, pendelte an seinem Sattelknauf.
    Immer weiter westwärts führte der Weg des Pfeifers. Alles war Gebirge, alles war Kluft und Felsen. Der Blick reichte nur bis zur nächsten Gesteinsbarriere. Michel überquerte reißende Gebirgsbäche, und zuweilen strich er an einer einsamen Holzfällerhütte vorbei. Aber das wild zerklüftete Bergland wollte kein Ende nehmen. In ihm war Leere, war Hitze und Kälte und manchmal auch das Verlangen nach einem Menschen; denn Menschen waren ihm bei seiner Wanderung entlang dem Kamm der Pyrenäen kaum begegnet. Das Pferd genügte ihm auf die Dauer nicht als Begleiter; denn eigentlich gab es ja keinen Unterschied mehr zwischen ihm selbst und seinem Träger. Sie waren so gut wie eine Person. Gewöhnlich schlief er gerade dort, wo ihn die Nacht überraschte, und da es auf den Winter zuging, wickelte er sich fest in seine Decken, mit denen er sich auf Schloß Villaverde ausgerüstet hatte.
    Bald ließ er die Pyrenäen hinter sich und ritt in das wildere Cantabrische Gebirge ein. Ein paar Tage später befand er sich im Bergland von Santander.
    Und dann erblickte er plötzlich von einer Bergspitze aus den Ozean. Wie ein unerreichbarer, noch leicht verschwommener Streifen aus Schaum und Wellen lag die Küste unter ihm. Und am nächsten Tag verlief sich dann die Route, der er unermüdlich gefolgt war, im Hafen von Santander.
    Vor einer Taberna stieg er vom Rücken seines ermüdeten Pferdes. Anerkennend klopfte er ihm auf die Hinterhand und reichte ihm ein Stück Zucker; denn er wußte die Leistung des

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