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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Tieres wohl zu würdigen. Oft war es in den letzten Tagen nahe am Zusammenbrechen gewesen; doch immer wieder war der Wille seines Herrn der Wegweiser aus den schwierigsten Situationen geworden.
    »Adelante, Wirt«, rief er, als er die Kneipe betrat,»schafft mir einen halben Ochsen zur Stelle. Ich habe Hunger wie zehn Wölfe im Winter!«
    Der Wirt, ein fetter Faulpelz mit Namen Federico Joler, sah den heruntergekommenen Fremden mit abschätzendem Blick an. Er beeilte sich keineswegs, seiner Forderung nachzukommen, sondern widmete sich eifrig dem Geschäft des Gläserspülens.
    »He, amigo, habt Ihr nicht gehört, was ich gesagt habe? Wollt Ihr, daß ich mein Glück in einer anderen Taberna dieser gesegneten Stadt versuche?«
    Wie unabsichtlich ließ er einen Beutel auf den Boden fallen, und ein feines, goldenes Klingeln drang an die Ohren des phlegmatischen Wirts.
    Dieser vergaß seine Gläser, stürzte dienstbeflissen herbei und bückte sich eilig nach dem herabgefallenen Säckchen. Dabei preßten sich seine Finger fühlend um die Leinwand. Und der Druck verriet ihm harte Münzen.
    Mit einer Verbeugung reichte er den Beutel zurück und rief mit lauter, durchdringender Stimme: »A sus servicios, Senor, ich werde Euch das beste Stück Fleisch aus meiner Küche braten lassen. Habt nur etwas Geduld.«
    Michel Baum nickte lächelnd und setzte sich an den großen Tisch. Er war erschöpft vom langen Ritt. Sein Reiseweg hatte ihn durch wildarme Gegenden geführt. Und der Kern seiner Träume war immer wieder ein saftiges Steak gewesen.
    Das Essen ließ lange auf sich warten. Um seine Ungeduld zu bezähmen und sich die Zeit zu vertreiben, begann er zu pfeifen. Kunstvolle Triller und schaurige Passagen flatterten von seinen Lippen.
    Erschrocken sah der Wirt auf. Und während einer Pause fragte er den Gast, ob er Wein wünsche, um sich die Kehle anzufeuchten.
    »Muy bien, Dicker, bringt mir eine Karaffe. Wenn ich einen Schluck genommen habe, so werde ich Euch etwas vorpfeifen, daß Euch Hören und Sehen vergeht. Was sagt Ihr zu meiner Kunst?« Senor Joler war selten um eine Antwort verlegen. Die Töne jedoch, die der Fremde von sich gab, erschienen ihm teuflisch unwirklich. Er bekreuzigte sich heimlich; der Mann war ihm nicht ganz geheuer. Mit einem Kratzfuß setzte er die Karaffe auf den Tisch.
    Michel packte ihn plötzlich am Arm und zog ihn neben sich auf die Bank. Immer den Wirt am Arm haltend, trank er mit einem Zuge die Karaffe leer. »Hört zu, Wirt. Ich will Euch eine weitere Probe geben.«
    Er pfiff durch die Zähne zur Einleitung. Dann ringelten sich die Tonfolgen wie eine Fessel um den Dicken, und er vermochte nur noch erstaunt zu lauschen.
    Irgendwie nahm dieses Pfeifen die Erdenschwere von einem Menschen, und man fühlte sich ohne ersichtlichen Grund leicht wie eine Feder, wie nach ein oder zwei Flaschen Wein.
    Michel brach ab.
    »Gefällt es Euch? Noch mehr?«
    »Nein, nein«, wehrte der Wirt ab.
    Er sprang auf und ging, nein, wankte zu seiner Theke.
    Endlich öffnete sich die Küchentür, und eine dicke Mamsell erschien mit einem Tablett, auf dem duftend ein riesiges Fleischstück im eigenen Saft lag.
    In unglaublich kurzer Zeit war es hinter Michels Zähnen verschwunden.»Wie ist es mit einem Bett, Senor Wirt? Ich bin müde. Vor Eurer Tür steht mein Pferd. Gebt ihm Hafer.« Der Wirt wies Michel ein Zimmer an und brachte dann das Pferd in den Stall.
    Es mochte gegen zehn Uhr abends sein, als Michel aus bleiernem Schlaf erwachte. Unter ihm lärmte es. Der Krach hätte Tote erwecken können.
    Michel zog sich die Decke über die Ohren. Aber selbst die Wolle konnte die Geräusche nicht dämpfen. Man tanzte und stampfte, daß die ganze Taberna in ihren Grundfesten erzitterte. Nach weiteren vergeblichen Versuchen, den Lärm abzuwehren, sprang er erbost aus dem Bett und kleidete sich an. Wenn er schon nicht schlafen konnte, so wollte er sich die übermütigen Menschen wenigstens aus der Nähe ansehen. Außerdem gelüstete ihn nach einem Becher Wein mit eßbarem Eis darin, eine Delikatesse, von der er bereits gehört, die er aber noch nie gekostet hatte.
    Langsam ging er die Stiege hinunter, die in den Gastraum führte. Teufel, was für ein Radau! Konnten Menschen mitten in der Woche ohne besonderen Anlaß so ausgelassen sein? Still betrat er den Schankraum und setzte sich auf eine Eckbank. Von hier aus war das Treiben gut zu überblicken, man konnte die Menschen studieren, ohne ihnen zu nahe zu sein. Ihm gegenüber in

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