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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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brüllte ihn ein Wächter an und schlug ihm ins Gesicht.
    Michel wurde zur Kapitänskajüte geschleppt und dort der Gräfin vor die Füße geworfen. »Vergelte euch Gott eure Freundlichkeit, ihr tramposos«, sagte Michel mit liebenswürdiger Stimme zu den Wächtern, als er sich mühsam wieder aufgerichtet hatte. »Ich werde mir eure Gesichter merken. Ihr seid die ersten, die eine Kugel aus meinem Wundergewehr zu kosten bekommen. Das verspreche ich euch.«
    »Schweigt!« warnte Marina den Spottenden, »sonst lasse ich Euch hier an Ort und Stelle Euern
    Übermut austreiben! — Geht hinaus«, wandte sie sich an die Wächter.
    Diese befolgten nur zögernd ihr Geheiß. Aber schließlich war der »Zauberer« ja gefesselt. Er würde also der verehrten Senorita Capitan nichts antun können.
    »Wie geht es Euch?« fragte Marina, als sie allein waren.
    »Oh, muchas gracias, Madonna, es ist mir nie besser gegangen«, lächelte Michel sie an. Marina glaubte nicht recht gehört zu haben. War des Widerspenstigen Zähmung schon abgeschlossen?
    »Ihr nanntet mich zum erstenmal seit Monaten wieder Madonna--«
    »Wie könnte ich länger gegen mein Herz ankämpfen, hermosa Senora! Mir macht dieses kleine Zwischenspiel Spaß. Darf ich mich zu Euch setzen, um den Duft Eurer zarten Haut atmen zu können?«
    Marina schob ihm einen Stuhl hin.
    »Wollt Ihr mir nicht die Fesseln abnehmen?«
    Sie lächelte mit einer Mischung von Skepsis, Liebe und Zynismus.
    »Es tut mir unendlich leid, daß ich Euerm Wunsch nicht willfahren kann. Aber so weit ist es noch nicht. Ich bin jetzt nicht mehr die kleine Arztgehilfin, die um Eure Liebe fleht, sondern die Gräfin, die ihre Liebe dann verschenkt, wenn sie es für richtig hält.« Michel zuckte die Achseln.
    »Mir ist es gleich«, sagte er in tiefem Ernst, »auf welche Weise ich Euch Gesellschaft leiste.
    Gestattet Ihr mir eine Frage?«
    »Bitte.«
    »Was geschieht nun mit meinen Landsleuten, die unten im Kielraum liegen? Werdet Ihr sie hängen lassen?«
    »Ich weiß nicht, wie ich mein Versprechen den Korsaren gegenüber anders erfüllen soll.« Michel nickte ganz in Gedanken.
    »Ihr habt recht«, flüsterte er verhalten und traurig, »wer ein Versprechen bricht, ist ehrlos.« Marina horchte gespannt auf diese Stimme. Was hatte er da gesagt? Wer sein Versprechen bricht, ist ehrlos. Sie glaubte ihn gut genug zu kennen. Sie war davon überzeugt, daß er nie ein Versprechen brechen würde.
    Michel wartete geduldig. Seine Augen blickten sie groß und wehmütig an. Aber um sein Kinn zuckte es wie verhaltenes Lachen oder wie eine kaum zu bändigende Spannung. Da nahm sie das Wort. Da sprach sie die Frage aus, die ihr Michel in den Mund gelegt hatte. »Sagt, würdet Ihr auch mir gegenüber ein Wort halten?«
    Michel schnappte nicht sofort zu. Das hätte verdächtig sein können. Er betrachtete sie einen Moment verwundert und meinte dann im Brustton innerster Überzeugung:
    »Ich habe noch nie in meinem Leben ein Wort gebrochen. Noch nie, hört Ihr, Madonna?«
    Sie blieb für Sekunden still. Triumphierend blitzten plötzlich ihre Augen.
    »Nun gut, versprecht mir, daß Ihr mir nicht entfliehen werdet, wenn ich Eure Fesseln löse.«
    »Ich verspreche es.« »Gebt Eure Hände her.«
    Es war schwer für Michel, seine Spannung zu verbergen. Aber sie griff zum Messer und schnitt die Stricke durch.
    »Ich danke Euch für das Vertrauen, Madonna«, sagte er. Sie schloß die Augen und drängte ihm ihren Mund entgegen. »Küßt mich!« flüsterte sie verzückt.
    Fürwahr, dachte Michel, diese Frau verliert durch ihre Leidenschaft zeitweise gar den Verstand. Er benutzte den Augenblick, in dem sie nichts sehen konnte, und befreite sich auch von den Stricken, die seine Füße zusammenhielten. Dann reckte und streckte er sich, bis das Blut normal zirkulierte.
    Marina öffnete die Augen und blickte ihn böse an.
    »Weshalb küßt Ihr mich nicht?«
    Michel verschränkte die Arme über der Brust.
    »Ich habe Euch nicht versprochen, daß ich Euch küsse, Marina.«
    Marina stand auf. Ihre Augen blitzten zornig.
    »Ich werde die Wachen rufen, damit sie Euch wieder binden! Ihr habt mit dem blutenden Herzen einer Frau gespielt, Silbador! Ihr seid ein Schuft!« Michel lachte auf.
    »Ihr meintet: mit der blutbefleckten Seele einer Verbrecherin, nicht wahr, Marina?« Die Gräfin verfärbte sich und trat ein paar Schritte zurück. »Ah, ich habe Euer Wort, daß Ihr mir nicht entflieht!«
    »Natürlich. Ich bin ja noch hier, — oder

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