El Silbador
ich nicht nötig.« »Naturalmente, Senorita, ich werde stumm sein wie ein Grab«, plusterte sich der Koch auf. Man sah aber seinen Augen an, daß er es kaum erwarten konnte, den Mannschaften die frohe Kunde zu bringen.Es war auch nicht viel mehr als eine Viertelstunde vergangen, als die Korsaren nach ihrer Kapitänin schrien. Minutenlang ließen sie die Gräfin hochleben, die die Gelegenheit benutzte, um sich gleich nach Piratenart Treue schwören zu lassen.
»Von nun an, Jungs«, rief sie, »gehört das Schiff euch. Ihr steht nicht mehr in Heuer, sondern erhaltet von jeder Beute gleichen Anteil. Wir werden den Kaperbrief verbrennen und auf eigene Faust unsere Kämpfe ausführen. Von heute an gilt nur noch das Piratenrecht. Ich hoffe, ihr seid einverstanden.«
Ein johlendes Gebrüll folgte diesen Worten.
Marina hielt plötzlich eine goldumstickte, schwarze Samtflagge in der Hand, auf der zwei Hände abgebildet waren. Die eine packte gerade ein Schiff und die andere streichelte einen Frauenkopf. »Das ist unsere neue Flagge: Liebe auf dem Land und Beute zur See. Wie gefällt sie euch?« »Bien! — Bravo! — Diantre! — Oh! — Oh!« kamen die Beifallsrufe der Leute. Als die Stimmung weiter fortgeschritten war, rief Marina plötzlich den Namen Guillermo. Sie hatte zu Beginn der Meuterei genau aufgepaßt, wer den Anlaß durch seine Unzufriedenheit dazu gegeben hatte. Unzufriedene waren immer unzufrieden. Man mußte also vorbeugen. Es gab zwei Möglichkeiten: entweder man hängte sie auf, oder man machte sie zufrieden. Marina war klug genug, um sich für das letztere zu entscheiden. Als Guillermo vortrat, reichte sie ihm die Hand.
»Ich habe gehört, daß du ein tapferer Mann bist, und bitte dich, zu mir in die Kabine zu kommen.«
Als Guillermo später bei ihr war, schritt sie erst zur Tür, um sich zu vergewissern, daß niemand horchte.
»Hör zu, amigo, ich habe für dich einen besonderen Auftrag. Willst du ihn annehmen?« Der Pirat nickte eifrig.
»Gut denn, ich will dich in mein Vertrauen ziehen. Hör zu, ich traue weder dem Steuermann noch dem Zweiten Offizier. Ich weiß, daß es diesen beiden nicht recht ist, mich als Capitan über sich zu haben. Du wirst von heute an deinen Dienst an Deck quittieren und mein persönlicher Beschützer werden. Beobachte diese beiden Caballeros und melde mir, wenn du etwas Verdächtiges bei ihnen bemerkst. Ferner paßt du auf, daß man nicht gegen mich intrigiert. Es könnten auch unter der Mannschaft noch Leute sein, die der Silbador behext hat. Jedenfalls lege ich mein Schicksal in deine tapferen Hände.« Sie stand auf und gab ihm einen zärtlichen Kuß auf die Wange.
»Willst du das für mich tun?«
Guillermo sank auf die Knie und schwor jeden Eid. Er hätte sich für die schöne Kapitänin vierteilen lassen.
Marina wußte, wie man Unzufriedenheit in Opferbereitschaft verwandelt.
Michel stolperte vorwärts und stieß mit dem Kopf gegen die Wand des engen Schiffskarzers. Eberstein fiel über ein Paar Beine auf der Erde. Es war so dunkel in diesem Loch, daß man nicht die Hand vor den Augen sehen konnte.
»Hola«, sagte eine Stimme, »wir kriegen Gesellschaft, Capitan. Ich nehme an, daß einer von den beiden Caballeros Senor Baum ist.«
»Ihr habt Euch nicht geirrt, Jardin. Ich bin es. Könnt Ihr mir erklären, wie diese verteufelte Situation zustande gekommen ist?«
»Und ob ich das kann, amigo! Das Weibsstück hat das ganze Schiff aufgewiegelt.« Er berichtete der Reihe nach, wie sich alles zugetragen hatte.
»So verdankt Ihr dieses Unglück nicht zuletzt mir, Senores«, sagte Michel, »und das tut mir aufrichtig leid. Was werden sie mit uns machen?« Der Kapitän schaltete sich ein. »Sie werden in Codrington ein Piratengericht zusammenrufen und behaupten, daß wir ihnen verboten hätten, die Feinde zu töten, und somit das Schiff gefährdet worden sei. Oder sie werden sagen, daß wir ihnen die Beute nicht gegönnt hätten. Mit dem Unsinn von der Zauberei können sie dem alten Seerichter nicht kommen. Er würde sie auslachen. Man wird ihn übrigens bestechen, so daß wir in jedem Fall Unrecht bekommen. Mag sein, daß sie uns selber laufen lassen; aber mein Schiff bin ich los. Und Ihr bekommt nirgends mehr eine Heuer.« »Schöne Aussichten«, brummte Jardin. »Wie konntet Ihr nur ein Weib an Bord nehmen? Es ist eine alte Weisheit, daß Frauen auf dem Wasser Unglück bringen.«
»Por diablo, Jardin, hättet Ihr Euch eine solche Perlenkette entgehen lassen? Wer
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