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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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befreien!«
    Michel nahm Richtung zur Einstiegluke des Kielraums. Der dort stehende Posten war zu überrascht, als er den Silbador sah. Er dachte nicht an Gegenwehr, sondern rannte schreiend von dannen.
    Im Nu war das Luk geöffnet.
    »Einzeln heraufkommen, Soldaten! Nicht drängen! Wenn ihr vernünftig bleibt, seid ihr in ein paar Minuten frei!«
    Und sie kamen. Sie waren fast erstickt in dem Gestank dort unten. Aber sie nahmen sich zusammen. —
    Inzwischen war Marina aus ihrer Erstarrung erwacht. Sie ergriff einen Säbel und stürzte an Deck.
    »Korsaren!« schrie sie. »Der Silbador ist frei. Wer ihn fängt, erhält einen Canast voll Duros.« Zuerst rührte sich niemand. Dann kamen vereinzelt ein paar Männer zum Vorschein. Sie bemerkten eine dunkle Kette menschlicher Leiber, die sich zum Heck hinzog. Es waren die befreiten Soldaten. Hier und da krachte ein Schuß.
    »Alle Mann an Deck!« rief Marina. »Greift die Fliehenden an. Es darf niemand entkommen!« Langsam sammelten sich ihre erschrockenen Piraten. Aber es fehlte ihnen einfach der männliche Führer, der todesverachtend als erster vorangestürmt wäre.
    Michel Baum, der den Rückzug seiner Freunde deckte, erkannte das Zögern. Mit einem Satz stand er auf einer Teertonne.
    »Korsaren!« schrie er. »Hier steht der Silbador. Ich habe Euch bewiesen, daß ich ununterbrochen schießen kann. Wer nur einen Schritt nach vorn tut, fällt von meinen Kugeln, die mir der Teufel gegossen hat. Wir werden Euch nicht vernichten. Ihr könnt in Frieden weitersegeln, wenn wir unbehelligt vom Schiff kommen, sonst--«
    Drei Korsaren stürmten plötzlich nach vorn. Sie glaubten nicht so recht an die Zauberkräfte des Pfeifers. Vor allem aber wollten sie sich vor den Augen ihrer Kapitänin auszeichnen. Da legte Michel — allen sichtbar — das Gewehr an und schoß, ohne abzusetzen, viermal hintereinander.
    Ein entsetzter Aufschrei aus zweihundert Kehlen erfolgte. Es gab niemanden mehr auf der »Trueno«, der an der überirdischen Macht des Silbador zu zweifeln wagte. »Glaubt nicht an seine Wunderkraft!« schrie die Gräfin. »Er hat nur noch zwei Kugeln im Lauf. Greift an, meine Tapferen, greift an!«
    Da schrie Michel mit Stentorstimme, in der ein schlecht unterdrücktes Lachen mitschwang: »Wenn Ihr Eure Leute weiter gegen mich hetzt, Senorita, so verwandle ich Euch vor ihren Augen wieder in einen Arztgehilfen. Dann ist die Mannschaft ihren Kapitän los, und Ihr werdet nie mehr erlöst werden!«
    Die Wirkung dieser Worte war verblüffend. Drei, vier Leute stürzten sich auf ihre Kommandantin und zerrten sie in einen Winkel, wohin der Blick des Silbadors nicht reichte.»Valgame Dios!« schrie einer der Männer. »Laßt uns unsere Senorita, Silbador. Wir werden Euch nichts mehr hm!«
    »Ich nehme dich beim Wort, hombre!« Er wandte sich zurück an seine Freunde. »Alles in den Booten?«
    »Über die Hälfte ist schon auf der »Quebec««, lachte Kapitän Porquez mit einem weinenden Auge; denn es fiel ihm nicht leicht, seine »Trueno« diesem Satansweib zu überlassen.
    Da klang Ebersteins Stimme von Bord des englischen Schiffes herüber:
    »Meine Leute haben zehn Kanonen klargemacht. Die Verbindungstaue sind gekappt. Wir lösen uns langsam vom Piratenschiff.«
    Michel blickte dorthin, wo er Marina vermutete, und rief auf französisch:
    »Adieu, Madame Capitain, vergeßt das Weitersegeln nicht und benutzt die nächsten zehn Jahre dazu, Euch in einen Eurer Männer zu verlieben! Mich bekommt Ihr nie!«
    Damit sprang er ins Boot und war in wenigen Augenblicken im Dunkel der Nacht verschwunden. Grau kam der Morgen herauf. Es wehte ein scharfer Südwest, der drückende Hitze mit sich brachte. Das Meer lag still, und als endlich die Sonne heraufkam, sah man, wie sich die Wellen glitzernd kräuselten.
    Michel Baum erwachte. Er erhob sich von einer zerrissenen Segelleinwand und reckte die steifen Glieder.
    Dann fiel sein Blick auf sein neben ihm liegendes Gewehr. Nachdem er kein Pferd mehr besaß, galt seine Sorge vor allem den Waffen, die ihm erhalten geblieben waren.
    Er nahm das graue Ledertuch auf und wickelte die kostbare Muskete sorgfältig darin ein. Dann endlich ließ er den Blick über das trümmerübersäte Deck der »Quebec« streifen.
    Da lagen sie träge herum, die Gestalten in ihren blauen hessischen Uniformen, und blinzelten faul in die aufgehende Sonne, als hätten sie weder Sorgen noch Arbeit. Dabei befanden sie sich auf den Planken eines gekaperten Schiffes, an dem

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