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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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dem Silbador gesprochen hätte. »Höre, o Sadik«, nahm Jussuf abermals das Wort. »Deine Aufgabe ist nicht schwierig. Sie ist sogar denkbar einfach. Du wirst sie sicherlich verstehen.« »Zögere nicht, Freund, und sprich dich ruhig aus«, ermunterte ihn Deste.
    »Nun gut denn, so höre---«, und Jussuf wiederholte wörtlich den Wunsch seines Auftraggebers.
    Deste hielt sich zurück. Fast hätte er durch die Zähne gepfiffen. Er nutzte die entstandene Pause zum Überlegen.
    Er sollte also seine Kameraden überreden, daß sie nichts weiter zu sagen hätten als die Wahrheit.
    Das war nicht schwer. Es blieb nur zu bedenken, was Jussuf damit erreichen wollte; denn Jussuf hatte den Namen seines Auftraggebers natürlich nicht genannt.
    »Nun?« fragte der Araber ungeduldig, »wirst du tun, was ich verlange?«
    »Laß mir Zeit bis morgen früh. Dann gebe ich dir Bescheid.«
    Jussuf schüttelte verneinend den Kopf.
    »Das geht nicht. Ich muß es gleich wissen.«
    Deste zögerte noch einen Augenblick. Dann nickte er.
    »Gut, wir werden nach deinen Wünschen aussagen, zumal es nichts weiter als die reine Wahrheit ist.«
    »Was sagst du?« fragte Jussuf erstaunt, »es war in Wirklichkeit so?«
    »Ja. Wenn du ein wenig nachgedacht hättest, dann hätte dir auffallen müssen, daß wir wochenlang auf dem anderen Schiff mit den Soldaten zusammengewesen sind, ohne daß sie versucht haben, uns ein Leid zu tun. Sie haben uns ganz einfach gegen euer Wasser verschachert.«
    »Nun«, freute sich Jussuf, »Allah befiehlt, daß der Mensch die Wahrheit sage. Und weiter wünsche auch ich nichts. Morgen bekommt ihr wieder die süße Speise. Schweige gegen jedermann und sage auch deinen Freunden, daß sie schweigen sollen.« Deste nickte, und der Araber ging.
    Algier, die Stadt der zweiundzwanzig großen Moscheen und der vielen kleinen, dem Andenken von Heiligen oder Marabuts geweihten Gebetshäuser, war im Jahre 935 von dem Fürsten Zori vom Stamm der Beni Mesghanna gegründet worden. Viele Stürme waren über die Stadt gegangen, so daß sich in den Jahrhunderten ihr Gesicht oft verändert hatte. Heute, am 3. März 1775, an dem Tag, da die »Medina« in den Hafen einlief, befand sich Algier im Krieg mit Spanien.
    Al-Dschesair, das die Spanier Argel nennen und die Franzosen Alger, Algier also, heute eine Perle Nordafrikas, war damals, 1775, eine Art Soldatenrepublik, an deren Spitze ein Daj, ein Herrscher, stand, der von der Miliz selbst gewählt wurde und sich hauptsächlich dazu verpflichten mußte, pünktlich den Sold an die Soldaten zu entrichten. Dann leisteten ihm die Offiziere den Treueid, und er war für die Dauer seines Lebens der Herr über Leben und Tod. Zu seiner Unterstützung war dem Daj ein beratender Ausschuß von sechzig Beamten beigegeben, der ihn beriet.
    Ursprünglich gehörte Algier zum großen Reiche des Sultans von Konstantinopel und hatte ihm seinen Tribut zu entrichten. Der Sultan schickte seine Milizen, die für Recht und Ordnung sorgen sollten.
    Der von diesen Milizen — man nannte sie allgemein Janitscharen — gewählte Daj Baba Ali, der auch 1775 noch regierender Fürst von Algier war, machte sich vom Sultan unabhängig und entrichtete der Pforte keinen Tribut mehr. So war die von der ganzen christlichen Mittelmeerwelt gefürchtete und gehaßte Janitscharenrepublik geschaffen worden.
    In diesen Märztagen nun landete eine bedeutende spanische Flotte an der nordafrikanischen Küste, und 25 000 Mann Landtruppen griffen die Janitscharen an.
    Gerade als diese folgenschweren Ereignisse ihren Lauf nahmen, kehrte die »Medina« von ihrer Raubfahrt in den Atlantik nach Algier zurück.
    Unbehelligt hatte sie das englische Gibraltar passiert, und unbehelligt hatte sie die spanische Armada nördlich umsegelt.
    Jetzt ankerte sie im Hafen von Algier, und der dicke, große, schwere Abul Mahasin schickte einen Seufzer der Erleichterung zu Allah empor. Weit streckte er die Hände von sich, und seine fetten Wangen glänzten vor Freude und im Vorgenuß des Empfangs, den ihm seine drei Frauen bereiten würden.
    Vom Minareh der Moschee El-Dschedid klang die Stimme des Muezzin herüber. Es war um die Zeit des Gebets zum Sonnenuntergang. In eigentümlich singendem Ton rief er die Gläubigen auf, zum Ruhme Gottes gen Mekka zu knien. Und wie alle Gebete des Islam, so wurde auch dieses durch die erste Sure des Korans, die Fatiha, eingeleitet:
    »Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen«, zelebrierte der Muezzin, »Lob und Preis sei Allah,

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