El Silbador
dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrschen wird am Tage des Gerichtes. Dir wollen wir dienen, und zu Dir wollen wir flehen, auf daß Du uns führest den rechten Weg, den Weg derer, die Deiner Gnade sich freuen, und nicht den Weg derer, denen Du zürnest, und nicht den Weg der Irrenden!«
Auch Abul Mahasin war niedergekniet. In Ermanglung von Wasser oder Sand vollführte er symbolisch die Bewegung des Waschens, wie der Prophet im alleinseligmachenden Kitab, dem Buch der Bücher, dem Koran, es vorschrieb.
Überall in der Stadt knieten die Gläubigen, huldigten Allah und holten sich Kraft aus dem Gebet. Nur wenige verschwanden dann schnell von den Straßen; das waren ein paar Juden, die ungeachtet aller Verfolgungen nicht zu bewegen waren, sich zum Glauben Mohammeds zu bekehren.
Es war eigentümlich bestellt um den Glauben der Muslimun. Jeder Verbrecher betete inbrünstig um Kraft für seine Unternehmungen. Es gab Gauner und Schurken in vielerlei Gestalt; aber sie hätten eher auf eine noch so günstige Gelegenheit verzichtet, um einen Raub durchzuführen, als auf das vorgeschriebene Gebet. Es focht einen Seeräuber nicht im geringsten an, fremde Schiffe anzufallen und hinterher mit gutem Gewissen Allah für die Kraft zu danken, die er ihm dazu verliehen hatte ...
»Herr, draußen wartet der Knecht, dem Allah das Glück verlieh, dein Schiff »Medina« sicher in den Hafen zurückzugeleiten. Wirst du geruhen, ihn zu empfangen?«
Baba Ali, gewählter Daj der Janitscharenrepublik Al-Dschesair, saß genußvoll in seine Polster zurückgelehnt und schaute mit sichtlichem Vergnügen einer weißen Tänzerin zu, die er vor wenigen Monaten als Sklavin von einem marokkanischen Händler erworben hatte. »Verhülle dein Antlitz, Isidolada«, gebot der Daj dem Mädchen, das vor Anstrengung kaum noch Atem schöpfen konnte und dem der Schweiß in Bächen über den bloßen Körper rann. Isidolada tat, wie ihr befohlen, und wollte sich dann zurückziehen.
»Nein«, rief der Daj gebieterisch, »bleib hier und setze dich hinter mich. Du hast mich durch deinen Tanz erfreut. Nun sollst du hören, welche Schätze mir Abu Hanufa al Dinaweri bringt. Lange genug ist er fortgewesen. Ich hoffe, daß seine Beute mir helfen wird, die Kriegskasse aufzufüllen; denn wir müssen in allernächster Zeit mit einem Angriff dieser spanischen Hunde rechnen. Führe ihn herein, Hussejn.«
Abu Hanufa kam und verbeugte sich tief vor dem Daj. Der hieß ihn sich setzen. »Spanne mich nicht auf die Folter, Kapitän meines Schiffes »Medina«, sondern berichte von deinen Erfolgen. Was hast du gebracht?« »Sechs Säcke Pfeffer, Sayd«, begann Abu Hanufa.
»Weiter«, drängte der Daj. Er schien nicht besonders erfreut zu sein über den Pfeffer. »Einen Ballen Spitzen aus der Stadt der Ungläubigen, die sie Brüssel nennen und die Allah verderben möge.«
»Das soll er bleiben lassen, sonst bekommen wir die schönen Spitzen nicht mehr. — Weiter.«
»Ein Korb voll Dukaten — —«
»Gold?«
»Nein, Sayd, Silber.«
»Und hast du sonst nichts zu bieten?«
»Doch, fünf weiße Sklaven, vier Spanier und einen französischen Künstler, der sich auch auf die wunderbare Kunst des Heilens versteht.«
Der Daj richtete seinen fetten Körper auf und blitzte Abu Hanufa mit zornigen Augen an. »Ist das alles, was du von deiner halbjährigen Reise mitgebracht hast?« »Ich habe noch eine ganz seltene Eroberung gemacht.« »Ah!«
»Ja, Sayd, Allah war uns gnädig. Er spielte uns eine Waffe in die Hand, mit der man unausgesetzt schießen kann, ohne zu laden.« Der Daj war skeptisch. »Hast du das selbst gesehen?« »Nein.« Hanufa zögerte. »Aber ich habe den Mann, der diese Waffe zu handhaben versteht und sie unter Umständen auch nachbauen kann.« »Wo ist er?«
»Noch auf dem Schiff, Herr. Es ist einer der Sklaven, jener französische Doktor, von dem ich dir erzählte.«
Der Daj fuhr auf.
»Bist du des Teufels? Wie kannst du es wagen, ohne diesen Mann hier zu erscheinen! Ich will doch sehen, wie dieser Doktor es fertiggebracht hat, dir einen solchen Floh ins Ohr zu setzen. Ein Gewehr, mit dem man immerfort schießen kann! Lachhaft. Du willst doch nicht verlangen, daß ich dieses Märchen glaube?«
»Es ist kein Märchen. O Herr, wenn du dieses Gewehr siehst, so wirst du mir recht geben; denn die eigenartige Bauart wird auch dich verblüffen.« »Zeig her!«
Hanufa zog die Schultern ein.
»Es befindet sich ebenfalls auf dem Schiff, Sayd. Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher