Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
Vom Netzwerk:
ihn hinabblickte und seine Qualen spürte, konnte sie nicht lügen - nicht einmal sich selbst gegenüber. Die Ereignisse des Tages beunruhigten sie aus mehreren Gründen. Sie war wütend, weil man ihre Pläne über den Haufen geworfen hatte. Sie bedauerte, dass sie nicht länger in der Lage sein würde, den leidenden Elantriern Nahrung zukommen zu lassen. Sie war unglücklich über die Art, wie die Adelswelt Elantris von nun an betrachten würde.
Aber es machte sie auch traurig, dass sie ihn nie Wiedersehen würde. Tyrann oder nicht, er hatte wie ein guter Mann gewirkt. Vielleicht... vielleicht konnte nur ein Tyrann an einem
Ort wie Elantris herrschen. Vielleicht war er das Beste für die Menschen dort.
Wie dem auch sei, sie würde ihm wahrscheinlich nie mehr begegnen. Sie würde nie wieder in jene Augen blicken, die trotz seines ausgemergelten Körpers so kraftvoll und lebenssprühend gewirkt hatten. In ihnen war eine Vielschichtigkeit, die Sarene nun niemals entschlüsseln können würde.
Es war vorbei.
Sie suchte Zuflucht am einzigen Ort in Kae, an dem sie sich sicher fühlte. Kiin ließ sie ein und hielt sie umschlungen, als sie sich in seine Arme fallen ließ. Es war das absolut erniedrigende Ende eines überaus emotionalen Tages. Allerdings war es die Umarmung wert. Sie hatte schon als Kind entschieden, dass ihr Onkel sehr gut im Umarmen war. Seine breiten Arme und die gewaltige Brust reichten aus, um sogar ein hochgewachsenes, schlaksiges Mädchen einzuhüllen.
Nach einer Weile ließ Sarene ihn endlich los und wischte sich die Augen. Sie war von sich selbst enttäuscht, weil sie wieder geweint hatte. Kiin legte ihr einfach eine große Pranke auf die Schulter und führte sie in das Esszimmer, wo der Rest der Familie, sogar einschließlich Adiens, um den Tisch saß.
Lukel hatte sich bis eben noch angeregt unterhalten, aber er brach mitten im Satz ab, als er Sarene erblickte. »Wenn man vom Löwen spricht«, sagte er, indem er ein jindoesisches Sprichwort zitierte, »kommt er, um sich satt zu fressen.«
Adiens gehetzter, ein wenig unklarer Blick fand ihr Gesicht.
»Sechshundertundzweiundsiebzig Schritte von hier nach Elantris«, flüsterte er.
Einen Moment lang herrschte Stille. Dann sprang Kaise auf ihren Stuhl. »Sarene! Haben sie wirklich versucht, dich aufzufressen?«
»Nein, Kaise«, erwiderte Sarene, die einen Platz gefunden hatte. »Sie wollten bloß etwas von unserem Essen abbekommen.«
»Kaise, lass deine Cousine in Ruhe«, befahl Daora streng. »Sie hat einen ereignisreichen Tag gehabt.«
»Und ich habe alles verpasst«, meinte Kaise verdrossen und ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen. Dann sah sie ihren Bruder verärgert an. »Warum musstest du auch krank werden?«
»Es war nicht meine Schuld«, protestierte Daorn, immer noch ein wenig schwach. Er wirkte nicht sonderlich enttäuscht, den Kampf verpasst zu haben.
»Pssst, Kinder«, mahnte Daora erneut.
»Ist schon gut«, sagte Sarene. »Ich kann darüber sprechen.«
»Na dann«, meinte Lukel, »ist es wahr?«
»Ja«, sagte Sarene. »Ein paar Elantrier haben uns angegriffen, aber niemand ist verletzt worden; jedenfalls niemand der Unseren.«
»Nein«, sagte Lukel. »Nicht das. Ich habe die Sache mit dem König gemeint. Ist es wahr, dass du ihn angeschrien hast, bis er sich ergeben hat?«
Sarene wurde übel. »Das ist bekannt geworden?«
Lukel lachte. »Man sagt, deine Stimme sei bis in den Thronsaal zu hören gewesen. Iadon hat sein Arbeitszimmer noch immer nicht verlassen.«
»Ich bin vielleicht ein bisschen weit gegangen«, sagte Sarene.
»Du hast das Richtige getan, Liebes«, versicherte Daora ihr. »Iadon ist viel zu sehr daran gewöhnt, dass der Hof springt, wenn er bloß niest. Er hat wahrscheinlich nicht gewusst, was er machen sollte, als jemand ihm tatsächlich einmal die Stirn geboten hat.«
»Es war gar nicht so schwer«, sagte Sarene mit einem Kopfschütteln. »Unter all der Prahlerei ist er im Grunde sehr unsicher.«
»Das sind die meisten Männer, Liebes«, sagte Daora.
Lukel lachte in sich hinein. »Cousine, was haben wir bisher nur ohne dich getan? Das Leben ist so langweilig gewesen, bevor du dich dazu entschlossen hast, herzusegeln und alles kurz und klein zu hauen.«
»Mir wäre es lieber, es wäre alles nicht ganz so kurz und klein«, murmelte Sarene. »Iadon wird nicht allzu gut gelaunt sein, wenn er sich erst einmal erholt hat.«
»Sollte er aus der Reihe tanzen, kannst du ihn ja einfach noch einmal anbrüllen«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher