Elantris
nicht bemerkt hast, als du hereingekommen bist.«
»Du bist hier gewesen?«
Lukel nickte. »Ich war ziemlich weit hinten und habe mich endlich einmal wieder mit ein paar alten Bekannten unterhalten. Ich bin eine Zeit lang nicht in der Stadt gewesen.«
»Warum hast du denn nichts gesagt?«
Ich fand deine Vorstellung viel zu interessant«, sagte er mit einem Lächeln. »Ich möchte bezweifeln, dass schon einmal jemand auf den Gedanken verfallen ist, die Mitte von Iadons Thronsaal als sein Atelier zu beanspruchen.«
Sarene errötete. »Es hat ja wohl funktioniert, oder etwa nicht?«
»Wunderbar! Was sich von dem Gemälde nicht gerade behaupten lässt.« Er hielt kurz inne. »Es ist ein Pferd, oder?«
Sarene blickte finster drein.
Eine Schale mit Obst ist es auch nicht, Mylord«, warf Ashe ein. »Das habe ich bereits versucht.«
»Tja, aber sie hat gesagt, dass es sich um eines der Bilder in diesem Saal handelt«, sagte Lukel. »Wir müssen bloß weiterraten, bis wir auf das richtige stoßen.«
»Eine brillante Schlussfolgerung, Meister Lukel«, sagte Ashe.
»Das reicht jetzt aber, ihr beiden«, versetzte Sarene knurrend. »Es ist das Bild uns gegenüber. Das ich beim Malen angesehen habe.«
»Das da?«, fragte Lukel. »Aber das ist ein Bild mit Blumen.«
»Na und?«
»Was ist der dunkle Klecks in der Mitte deines Bildes?«
»Blumen«, meinte Sarene abwehrend.
»Oh!« Lukel warf Sarenes Bild einen weiteren Blick zu und sah dann zu ihrer Vorlage empor. »Wenn du es sagst, Cousine.«
»Vielleicht könntest du mir Iadons Rechtsstreit erklären, bevor ich gewalttätig werde, Cousin«, sagte Sarene mit bedrohlicher Süßlichkeit in der Stimme.
»In Ordnung. Was möchtest du wissen?«
»Laut unserer Recherche verstößt die Sklaverei in Arelon gegen das Gesetz, aber diese Männer hören nicht auf, den Bauern als ihren Besitz zu bezeichnen.«
Mit gerunzelter Stirn ließ Lukel den Blick zu den beiden streitenden Aristokraten schweifen. »Sklaverei ist zwar illegal, aber wahrscheinlich nicht mehr allzu lange. Vor zehn Jahren gab es noch keine Adeligen oder Bauern in Arelon - bloß Elantrier und den ganzen Rest. Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts sind aus bürgerlichen Familien, die früher ihr eigenes Land besaßen, Bauern unter Feudalherren geworden, dann vertraglich gebundene Bedienstete und schließlich etwas, was im Grunde mehr an uralte fjordellische Leibeigene erinnert. Es wird nicht mehr lange dauern, dann sind sie nichts weiter als Besitztümer.«
Sarene legte die Stirn in Falten. Allein schon der Umstand, dass der König sich solch einen Fall anhörte - dass er auch nur mit dem Gedanken spielte, einem Mann die Kinder zu entreißen, um die Ehre eines Adeligen zu retten -, war grauenhaft. Die arelische Gesellschaft sollte eigentlich längst über dieses Stadium hinaus sein. Der Bauer beobachtete das Geschehen mit trüben Augen; Augen, aus denen das Licht der Hoffnung systematisch und vorsätzlich herausgeprügelt worden war.
»Es ist schlimmer, als ich befürchtet hatte«, sagte Sarene.
Lukel nickte neben ihr. »Iadons erste Handlung nach seiner Thronbesteigung war die Abschaffung privaten Landbesitzes. Arelon verfügte über keine nennenswerte Armee, aber Iadon konnte es sich leisten, Söldner anzuheuern und die Einwilligung der Menschen zu erzwingen. Er verkündete, dass alles Land fortan der Krone gehöre, und dann belohnte er die Kaufleute, die seine Thronbesteigung unterstützt hatten, mit Titeln und Besitztümern. Nur ein paar wenige Männer, darunter mein Vater, besaßen so viel Ländereien und Geld, dass Iadon es nicht wagte, sie zu enteignen.«
Sarene konnte spüren, wie Verachtung für ihren neuen Vater in ihr aufstieg. Einst hatte sich Arelon der glücklichsten und fortschrittlichsten Gesellschaft auf der ganzen Welt rühmen können. Iadon hatte die Reste dieser Gesellschaft zerstört und den Menschen ein System aufgezwungen, das nicht einmal Fjorden mehr benutzte.
Sarene warf Iadon einen Blick zu und wandte sich dann wieder an Lukel. »Komm«, sagte sie und zog ihren Cousin an eine Stelle des Saales, wo sie ein wenig offener reden konnten. Sie waren immer noch nahe genug, um Iadon im Auge zu behalten, aber so weit von den anderen Menschengrüppchen entfernt, dass sie sich leise miteinander unterhalten konnten, ohne belauscht zu werden.
»Ashe und ich haben vorhin darüber diskutiert«, sagte sie. »Wie ist es diesem Mann je gelungen, den Thron an sich zu reißen?«
Lukel zuckte mit den Schultern. »Iadon
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